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Zurück zu einer leichten Untergewichtung von Aktien
Blick auf die Finanzmärkte
April 2023
Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF
Die Lage an den Finanzmärkten hat sich in den vergangenen Monaten so grundlegend verändert wie lange nicht. Unter dem Eindruck stark steigender Inflationsraten haben die Notenbanken ihre Geldpolitik über einen sehr kurzen Zeitraum von ungefähr einem Jahr erheblich gestrafft. Damit gehen Belastungen für die Wirtschaft wie auch für die Finanzmärkte einher. Genau dies beabsichtigen die Notenbanker auch: Man kann keine Omelette zubereiten, ohne Eier zu zerschlagen. Genauso wenig lässt sich die Inflation bekämpfen, ohne die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu bremsen.
Die Bekämpfung der Inflation durch die Geldpolitik birgt Risiken. Banken leben in hohem Maße von der Fristentransformation: Sie verwandeln kurzfristige Einlagen der Kunden in Kredite und Wertpapieranlagen mit längerer Laufzeit. Daraus ergeben sich für die Banken Zinsänderungsrisiken. Denn der Marktwert von Anleihen und Krediten sinkt, wenn das Zinsniveau steigt. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ist eine Warnung: Die Bank hatte hohe Zuflüsse ihrer Kunden in langfristige Wertpapiere angelegt, deren Wert sank, als die Zinsen stiegen. Die Korrektur der langfristigen Wertpapiere wiederum führte zu hohen unrealisierten Verlusten, die der Silicon Valley Bank zum Verhängnis geworden sind. Die unrealisierten Verluste aller US-amerikanischen Banken aus Wertpapierbeständen betragen derzeit rund 620 Milliarden Dollar (Quelle: FDIC, Stand Ende 2022).
Typischerweise nehmen auch die Kreditausfallrisiken zu, wenn die Finanzierungskosten steigen. Oder um es mit Warren Buffet zu sagen: “Only when the tide goes out you learn who has been swimming naked.” Anfällig gegenüber dem Zinsanstieg sind alle Wirtschaftsbereiche mit hoher Verschuldung. Deshalb ist zuletzt der Immobiliensektor in den Fokus gerückt. In den Jahren niedriger Zinsen waren die Preise rasant gestiegen, die Bautätigkeit boomte. Das könnte Exzesse begünstigt haben, die nun von der Realität eingeholt werden. Auf jeden Fall dürften die steigenden Zinsen die Bautätigkeit beschränken, weil Projekte unrentabel werden oder nicht mehr ohne Weiteres finanziert werden können (siehe Abbildung).
Die Zeit hoher Preissteigerungen am Immobilienmarkt dürfte damit vorerst zu Ende gehen. Der Case Shiller-Index, der die Hauspreisentwicklung für Bestandsimmobilien in den 20 wichtigsten Städten der USA abbildet, zeigt gegenüber dem Höchststand von Juni 2022 einen Preisrückgang von fast 7 Prozent (bis Jan. 2023). Eine ähnliche Tendenz ist auch in Europa zu erkennen. Der Hauspreisindex von Eurostat weist für den Euroraum im vierten Quartal einen Preisgang von 1,7 Prozent aus. Für Deutschland ergeben die Zahlen sogar einen Rückgang von 5,9 Prozent im zweiten Halbjahr.
Damit achten die Anleger auch vermehrt auf Schuldtitel, die mit Immobilien besichert sind. Noch sind die Ausfallraten von Commercial Mortgage Backed Securities niedrig, doch die US-Presse berichtete von einigen Fällen, in denen die Titel nicht mehr bedient werden konnten. Auch in Europa ist die Verfassung des Marktes angegriffen: Kürzlich wurde beispielsweise bekannt, dass die südkoreanischen Eigentümer des Trianon-Hochhauses in Frankfurt – derzeit noch Zentrale der Deka – über eine Umstrukturierung der Schulden verhandeln.
Die Zunahme von Spannungen im Bankensystem und am Immobilienmarkt sind ein Indiz dafür, dass die geldpolitische Straffung zu wirken beginnt. Ob diese zu einer Rezession führt, ist offen. Deshalb beobachten die Marktteilnehmer derzeit besonders die Renditekurven. Hier sind die Kurven in den USA wie auch in Europa invertiert: Die Renditen für kurze Restlaufzeiten (bis zwei Jahre) sind aktuell höher als die für lange (beispielsweise zehn Jahre). Wirtschaftsexperten schätzen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession laut Bloomberg zurzeit im Mittel auf 65 Prozent für die USA und auf knapp 50 Prozent für den Euroraum.
Für „Doom & Gloom“ sehen wir aber keinen Anlass. Die Arbeitsmärkte diesseits und jenseits des Atlantiks sind robust. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig, und in vielen Bereichen der Wirtschaft werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Ein weiterhin hoher Beschäftigungsgrad, ordentliche Lohnzuwächse und eventuell auch eine Entlastung durch gesunkene Energiepreise tragen zur Stabilisierung des Konsumentenvertrauens bei und geben der Konsumnachfrage bisher Rückhalt. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Inflationsraten sinken und der Zinserhöhungszyklus zunächst in den USA und später in diesem Jahr auch in Europa enden wird.
Für den Anleger am Aktienmarkt ergibt sich somit ein durchwachsenes Bild. Die Gewinnerwartungen für die Unternehmen schwächeln, Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen für die beginnende Berichtssaison dominieren das Bild. Zudem hatten sich die Aktienmärkte im Verlauf der vergangenen sechs Monate kräftig erholt, die Bewertungsniveaus sind vielfach gestiegen. Die US-Märkte sind nicht günstig bewertet, und auch die europäischen Märkte haben ihren deutlichen Bewertungsvorteil unserer Einschätzung nach verloren. Schließlich haben die Aktienmärkte auch relativ zum Anleihemarkt an Attraktivität verloren: Sichere kurzlaufende Bundesanleihen bieten eine Rendite von etwa 2,5 Prozent, solide Unternehmensanleihen durchschnittlich etwa 4,0 Prozent (BofA ML Euro Corporate Index). Die Aktie ist damit nicht mehr alternativlos. Insgesamt hat uns die größere Unsicherheit veranlasst, bei der Verwaltung der uns anvertrauten Gelder etwas vorsichtiger zu werden. In diesem Sinne haben wir die Positionierung am Aktienmarkt von „neutral“ auf „leicht untergewichten“ verändert, was einer moderaten Verringerung der Aktienquote entspricht.
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