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Wirtschaft: Welche Risiken für 2024?
Bruno Cavalier – Chefökonom ODDO BHF
Wesentliche Punkte
- Mit Ausnahme der USA wurden die Wirtschaftsaussichten überall nach unten korrigiert
- Steigende Zinssätze setzen die öffentlichen Finanzen unter Druck
- Der Welthandel ist vor dem Hintergrund zahlreicher geopolitischer Spannungen fragmentiert
- Eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump würde den Protektionismus noch verstärken
- Positiv ist, dass die Desinflation anhält und den Weg für eine Lockerung der Geldpolitik ebnet
Für Klimaforscher wird das Jahr 2023 als das wärmste Jahr in der Geschichte der Menschheit in die Annalen eingehen. Für die Wirtschaftswissenschaftler hat sich die Lage dagegen abgekühlt. Damit ist gemeint, dass die Inflationsraten überall deutlich niedriger sind als zu Beginn des Jahres, auch wenn der Rückgang in den einzelnen Ländern unterschiedlich ist. Die Knappheit und die logistischen Störungen, die sich aus den Lockdowns ergeben haben, sind vorüber. Es ist besonders zu betonen, dass der Rückgang des Inflationsdrucks nicht nur einige Preise betrifft, die durch die Pandemie oder den Krieg in der Ukraine künstlich in die Höhe getrieben wurden.
In der Eurozone fiel die Inflation zuletzt wieder unter 3 %, nachdem sie auf ihrem Höchststand von 2022 noch über 10 % gelegen hatte. Der Rückgang ist nicht mehr nur auf die erneut fallenden Energiepreise zurückzuführen, sondern auch auf die Spannungen bei Nahrungsmitteln, anderen Waren und schließlich sogar bei Dienstleistungen (Schaubild). Die Desinflation wird sich 2024 vor dem Hintergrund des schwachen Wirtschaftswachstums und der strengeren Finanzierungsbedingungen fortsetzen.
Die Zentralbanken halten sich mit Siegesbekundungen vorsichtshalber zurück. Die Inflation hat sich noch nicht vollständig normalisiert. Geopolitische Spannungen, insbesondere im Nahen Osten, sind in der Lage, die Energiemärkte zu destabilisieren, dafür gibt es in der Geschichte zahlreiche Beispiele. Davon abgesehen hat sich die geldpolitische Debatte in den letzten Monaten stark verändert. Anfang 2023 fragten sich die Zentralbanken, wie schnell und wie weit sie die Leitzinsen anheben sollten. Ihr Mantra lautete „schneller und höher“. Nun stellt sich die Frage, wie lange man eine restriktive Geldpolitik beibehalten will, und das neue Motto lautet „höher und länger“. In einigen Monaten wird sich höchstwahrscheinlich die Frage stellen, wann und in welchem Tempo die Geldpolitik gelockert werden soll.
Im Jahr 2023 zeigt sich die US-Wirtschaft erstaunlich stark – allen Auguren zum Trotz, die eine Rezession vorhersagten oder eine Rezession für die einzige Möglichkeit hielten, die Inflation zu dämpfen. In Wirklichkeit beschleunigten sich die Ausgaben der Haushalte und die Inflation verlangsamte sich. In den USA scheint sich bisher eine weiche Landung (soft landing) abzuzeichnen. Eine solche unterscheidet sich durch die Stärke des Arbeitsmarkts von einer Rezession. Bisher kam es nicht zu einer massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen. Es fällt allerdings auf, dass die Unternehmen bei Neueinstellungen vorsichtiger sind.
Die US-Arbeitslosenquote erholt sich seit einigen Monaten langsam. Ein Abdriften in eine Rezession im Jahr 2024 bleibt im Bereich des Möglichen, sollte die Arbeitslosigkeit stark zunehmen.
Im Gegensatz dazu konnte in der chinesischen Volkswirtschaft, die von der Aufhebung der Anti-Covid-Beschränkungen hätte profitieren sollen, keine echte Erholung in Gang kommen. Angesichts der verstärkten Einflussnahme des Staates fehlt es den Haushalten und Unternehmen an Vertrauen. Die geld- oder haushaltspolitischen Lockerungsmaßnahmen konnten die Wirtschaft nicht ankurbeln und dem Land droht eine Deflation. Die Krise im Immobiliensektor wirkt in China nun als strukturelle Bremse. Sie zeigt die Grenzen eines Wachstumsmodells auf, das auf der Priorität von Investitionen gegenüber dem Konsum beruhte. Die Kehrseite dieses Modells ist eine Fehlallokation von Kapital, für die die berühmten Geisterstädte das sichtbarste Beispiel sind. Es ist schwierig, China im nächsten Jahr als wesentlichen Motor für das globale Wachstum zu sehen.
Auch die europäische Wirtschaft befindet sich nicht in besonders guter Verfassung. Nach einigen Quartalen, in denen die Wirtschaft nahezu stagnierte, hat in der Eurozone eine Art milde Rezession eingesetzt. Die Energiekrise scheint weitgehend überwunden zu sein. Anders als im letzten Jahr werden in diesem Winter keine Stromausfälle befürchtet. Jetzt fehlen vor allem Bankkredite, die als Reaktion auf die abrupte Straffung der Geldpolitik ausgetrocknet sind. Dies beeinträchtigt die Investitionsausgaben, insbesondere im Bausektor. Der Zinsschock hat den Schuldendienst für Unternehmen und Staaten verteuert. Die Tatsache, dass die Märkte jetzt wachsamer auf die Entwicklung der Staatsverschuldung achten, zwingt die Regierungen, sich um die Konsolidierung ihrer Staatshaushalte zu bemühen Die wirtschaftlichen Risiken sind daher rückläufig.
Nicht zuletzt gibt es in der ganzen Welt viele politische und geopolitische Unsicherheiten. Seit der Pandemie ist der Warenaustausch sowohl aufgrund von Kriegen als auch neuen Handelsbarrieren wesentlich mühsamer. Protektionismus tritt unter verschiedenen Vorwänden auf. Zu diesen zählen Anreize für die Energiewende (IRA-Programm in den USA), der Wunsch, die strategische Versorgung zu sichern, die Förderung der heimischen Beschäftigung und der Kampf gegen die chinesische Vorherrschaft. Es besteht die reale Gefahr einer Fragmentierung des Handels. Diese würde in dem nicht unwahrscheinlichen Fall, dass Donald Trump im November 2024 wiedergewählt wird, noch zunehmen. In seiner ersten Amtszeit hatte er sich selbst den Spitznamen „Tariff Man“(Zoll-Mann) gegeben und sich vorrangig gegen China gewandt. Für den Fall seiner Wiederwahl plant er dieses Mal, alle Länder, die in die USA exportieren, zu besteuern, was der Auftakt zu einem globalen Zollkrieg wäre.
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