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Wie sollten Anleger auf steigende Langfristzinsen reagieren?

Marktanalyse 11.03.2021

MARKTANSICHTEN

9. März 2021

 

Jan Viebig
Jan Viebig,
CIO Private Wealth Management
Laurent Denize
Laurent Denize,
CIO Asset Management

 

Aus Bewertungssicht stellt sich für Aktien die Frage, ob das erwartete Gewinnwachstum weiterhin stark genug zunimmt, um den höheren Diskontierungsfaktor, der mit steigenden Langfristzinsen einhergeht. 10 jährige US Treasuries notieren derzeit bei 1 60 zu kompensieren. In US Aktien ist bereits reichlich Gewinnwachstum eingepreist. So erwarten Analysten für 2021 einen Anstieg des Gewinns je Aktie im S&P 500 um 24 für 2022 um weitere 15 Interessant zu beobachten ist, dass die langfristigen Gewinnwachstumserwartungen sowohl für US Aktien als auch für Schwellenländeraktien in die Höhe geschnellt sind. Kurz gesagt, das Hauptproblem für US Aktien besteht darin, dass sie zu einem Zeitpunkt hoch bewertet sind, an dem ein Anstieg der Inflation und der Zinsen zu erwarten ist.

 

Was also sollten Anleger tun?

 

Die Aktienrally tritt in eine heikle Phase ein. Unsere Empfehlung ist daher eine etwas vorsichtigere Positionierung.

An den Finanzmärkten könnte es erneut zu einer Verkaufswelle kommen, sollte die Entwicklung der Realwirtschaft die These einer steigenden Inflation unterstützen. Und machen wir uns nichts vor: Aufgrund von Basiseffekten und einer vorübergehenden Verzerrung von Angebot und Nachfrage dürften die nächsten Inflationszahlen deutlich höher ausfallen als zuletzt.

Wir erwarten keine Baisse, sondern passen unsere Positionierung schlicht an die neuen Marktentwicklungen an. Die Anleiherenditen sind in den letzten sechs Monaten deutlich gestiegen. In absoluter Sicht liegen sie jedoch weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Zwar können steigende Renditen vorübergehend für eine Aktienmarktkorrektur sorgen. Für eine Rezession und eine damit einhergehende Aktienbaisse müssten sie allerdings auf ein restriktives Niveau klettern. So weit ist es aber noch nicht.

Konkret entwickeln sich bei höheren US-Anleiherenditen globale Wachstumsaktien in der Regel schwächer als globale Value-Titel. Erstere sind deutlich höher bewertet und reagieren empfindlicher auf einen steigenden Diskontierungssatz.

Für globale Aktienportfolios empfiehlt sich zudem eine Untergewichtung in den USA, eine neutrale Positionierung in den Schwellenländern und eine Übergewichtung in Europa und Japan. In Europa setzen wir mit Blick auf das Gewinnwachstum bevorzugt auf Small-Cap-Aktien.

Die Marktkapitalisierung von Wachstumswerten ist in den USA am höchsten, gefolgt von den Schwellenländern. Dementsprechend sind die europäischen und japanischen Börsen weniger anfällig für steigende Anleiherenditen. Zudem sind Anleger nicht hinreichend in Energie-, Grundstoff-, Industrie- und Finanzaktien investiert, engagieren sich jedoch weiterhin stark in Technologieunternehmen. Die fünf Tech-Werte mit der höchsten Marktkapitalisierung machen weiterhin einen extrem hohen Anteil am S&P aus, auch wenn sie zuletzt etwas nachgegeben haben.

Bei vielen dieser sogenannten Long-Duration-Aktien, bei denen die erwarteten Gewinne häufig erst in weiter Zukunft liegen, bestehen Risiken. Angesichts ihres Gewichts in den US-Indizes ist eine höhere Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der Markt aus dem Tritt gerät oder gar eine Korrektur durchläuft. Im Technologiesektor scheinen Aktien mit angemessener Bewertung oder zyklischerem Profil weniger gefährdet als Adressen mit stärkerem Wachstumsprofil.

 

Zusammengefasst

Wir gehen von einer Übergewichtung zu einer neutralen Position in Aktien über und setzen auf eine "Buy the Dip"-Strategie, mit einer deutlichen Rotation in den Portfolios. Wir sind nach wie vor zuversichtlich, dass die Gewinne je Aktie und damit die Bewertungen im Zuge der Konjunkturerholung kräftig steigen werden, sobald der Zinsanstieg am Markt in den Risikoprämien eingepreist ist. Bei Staatsanleihen ist insgesamt Vorsicht geboten. Zu präferieren sind eher Hochzinsanleihen, die immuner gegenüber steigenden Langfristzinsen sind, sowie Break-Even-Anleihen, die noch einiges an Potenzial bieten.

Wir In längerfristiger Perspektive favorisieren wir weiterhin Qualitätswerte mit hohem freien Cashflow und geringer Verschuldung. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir es weiterhin mit einem Umfeld mit gedämpftem Wachstumspotenzial zu tun haben.


 

Auf Rohstoffwerte und Finanztitel (speziell Versicherungen) setzen

An den Metallmärkten dürfte auch in diesem Jahr Knappheit herrschen – insbesondere was Kupfer und Aluminium angeht. Während der Boom bei der Produktion von Elektrofahrzeugen langfristig das Ende für Öl bedeuten dürfte, ist er für viele Metalle ein Glücksfall. Ein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug kann mehr als 80 kg Kupfer enthalten. Bei herkömmlichen Autos sind es gerade mal 23 kg. Bis zum Jahr 2030 dürften allein für den Bau von Elektrofahrzeugen fast 4 Mio. Tonnen Kupfer pro Jahr nachgefragt werden – ein nicht ganz unerheblicher Anteil an einem Markt, dessen Verbrauch bei insgesamt etwa 26 Mio. Tonnen pro Jahr liegt. Chinas ungebrochen hohe Nachfrage nach Metallen dürfte die Metallpreise ebenfalls stützen. Obgleich sich das BIP-Trendwachstum in China abgeschwächt hat, ist die Wirtschaft viel größer als noch in den 2000er Jahren. Chinas jährlicher Gesamtverbrauch an Metallen ist um ein Fünffaches höher als damals. Zudem wächst Chinas Nachfrage nach Metallen, gemessen an der Menge der verbrauchten Rohstoffe, doppelt so stark wie noch vor 20 Jahren.

Aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten muss man hier selektiv vorgehen und sicherstellen, dass die gewählten Unternehmen konservativen Richtlinien standhalten. Unser Ansatz stützt sich allerdings auf ein Best-in-Universe-Konzept und ermöglicht es uns, Unternehmen auf dem Weg zu einem besseren Nachhaltigkeitsprofil zu begleiten und zu unterstützen.

Neben Rohstoffproduzenten werden auch Finanzwerte, etwa Versicherungsunternehmen mit hohem freien Cashflow, den Value-Indizes Auftrieb geben. Zwar dürfte das Kreditwachstum kaum das Niveau von vor der Finanzkrise erreichen. Dennoch ist sowohl in den USA als auch in Europa ein Aufwärtstrend erkennbar. Zudem sollten mit Abebben der Pandemie die Belastungen für Versicherer oder Rückversicherer sinken. Die Analysten haben bereits die verbesserten Gewinnaussichten solider Finanzinstitute zur Kenntnis genommen. Im Versicherungssektor beispielsweise werden die Gewinnschätzungen auf beiden Seiten des Atlantiks aktuell schneller angehoben als im Tech-Sektor. Nicht nur dürfte der Gewinn (das "G" im KGV) steigen, sondern auch das KGV selbst. Derzeit werden US- und europäische Finanzinstitute mit dem 14- bzw. 10-fachen der voraussichtlichen Gewinne gehandelt, und damit mit einem enormen Abschlag gegenüber dem Markt insgesamt und insbesondere gegenüber Tech-Aktien.

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