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Marktrisiken nehmen zu
Marktansichten
21.02.2022
Aktienmärkte bieten Chancen und Risiken. Für denjenigen, der Anlageentscheidungen trifft, bedeutet es deshalb ein hohes Maß an Verantwortung, zu entscheiden, wann Chancen gesucht und wann Zurückhaltung geübt werden sollte. Derzeit haben wir es am Aktienmarkt mit drei bedeutenden Faktoren zu tun, die Unsicherheit schaffen. In der Gesamtbetrachtung bringt uns dies dazu, den Aspekt der Vermögenserhaltung stärker in den Vordergrund zu rücken – auch auf die Gefahr hin, Ertragschancen ungenutzt zu lassen.
Faktor 1: Bewertung
Der erste Faktor, der zur Vorsicht mahnt, ist die Bewertungssituation. Trotz der jüngsten Kursverluste sind viele Bewertungskennziffern weiterhin sehr hoch. Das sogenannte Shiller-KGV für den S&P 500, das den Kurs ins Verhältnis zum mittleren inflationsbereinigten Gewinn setzt und damit eine langfristige, zyklisch bereinigte Betrachtung erlaubt, steht Ende Januar bei 37,8. Das ist das höchste Niveau seit den Zeiten der Dotcom-Blase des Jahres 2000 und um 40% höher als der Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Das Bild ändert sich nicht wesentlich, wenn man auf „konventionellere“ Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis (auf Basis erwarteter Gewinne der nächsten 12 Monate) schaut. Vor allem die Preise am US-Markt sind im längerfristigen Vergleich auch jetzt noch sehr anspruchsvoll (siehe Abbildungen).
Quelle: Refinitiv Datastream (I.B.E.S.), Zeitraum: 21.02.2004-09.02.2022
Als Grundregel kann gelten, dass ein hohes Bewertungsniveau – beispielsweise gemessen am Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) – über einen längeren Folgezeitraum eher moderate durchschnittliche Renditen erwarten
lässt. Wichtig für Anleger ist, dass die zu erwartenden Renditen über die lange Frist von beispielsweise zehn Jahren dennoch signifikant positiv sind, deutlich oberhalb der aktuellen Anleiherenditen. Das hohe
Bewertungsniveau lässt jedoch eine allgemeine „Anfälligkeit“ gegenüber den Widrigkeiten des Marktes und damit eine erhöhte Volatilität erwarten.
Faktor 2: Geldpolitische Straffung
Die bevorstehende Straffung der Geldpolitik ist ein weiterer Faktor, der aktuell für Unsicherheit sorgt. Die Zentralbanken der wichtigsten Industrieländer reagieren auf die fortschreitende wirtschaftliche Erholung sowie die
hohe Inflation und beginnen, ihre Corona-bedingt sehr expansive Geldpolitik zu straffen. Die US-Notenbank („Fed“) hat angekündigt, die Anleihekäufe Anfang März 2022 endgültig einstellen zu wollen. Sie
wird aller Voraussicht kurz danach, im März, zu Zinserhöhungen übergehen. Der Offenmarktausschuss der Fed selbst hatte im Dezember 2021 für den Jahresverlauf 2022 Leitzinserhöhungen auf 0,9% in Aussicht
gestellt, die Markterwartungen liegen derzeit schon wesentlich höher, bei rund 1,6%. Die EZB beendet im März die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms und deutet perspektivisch Zinserhöhungen an. Die
Märkte gehen aber mittlerweile davon aus, dass die Anleihekäufe im Jahresverlauf beendet werden und gegen Ende des Jahres 2022 erste Zinsanhebungen folgen könnten.
Zinserhöhungsphasen sind für Anleger schwierige Phasen. Unmittelbar betroffen sind die Anleihemärkte, denn die Notenbanksätze ziehen die Anleiherenditen mit nach oben. Für die Neuanlage werden Anleihen damit
irgendwann vielleicht interessanter; für den vorhandenen Anleihebestand bringen steigende Renditen dagegen in der Regel Kursverluste. Ein Maß für die Empfindlichkeit von Anleihen gegen Kursverluste ist die Duration, eine
„durchschnittliche“ Laufzeit unter Berücksichtigung zwischenzeitlicher Auszahlungen an den Anleger. Ganz grob lässt sich sagen, dass die Kursverluste ungefähr der Duration multipliziert mit dem Renditeanstieg
entsprechen. Eine Nullkuponanleihe mit zehnjähriger Restlaufzeit (Duration 10 Jahre) verliert also fast 10% ihres Wertes, wenn die Rendite um 1 Prozentpunkt steigt; eine einjährige Anleihe dagegen verliert nur 1% ihres Wertes.
Droht ein Renditeanstieg, sind Titel mit kürzerer Duration also tendenziell weniger exponiert.
Auch für die Aktienmärkte sind Zinserhöhungsphasen ein Risiko, denn der heutige Wert der künftigen Erträge sinkt mit steigenden Zinssätzen. Man kann auch sagen: Wenn Anleihen mehr Rendite bieten,
müssen Aktien unter sonst gleichen Bedingungen billiger werden. Mechanisch funktioniert der Zusammenhang im wahren Leben aber nicht, vor allem weil es „die sonst gleichen Bedingungen“ nicht gibt. Insbesondere Umsatz-
und Gewinnwachstum würden Zinseffekte kompensieren. Bislang spricht sehr viel dafür, dass sich die wirtschaftliche Expansion fortsetzt und das Gewinnwachstum weiterhin solide ausfällt. Das gibt den Aktienmärkten
Rückhalt. Die plausible Grundannahme ist dabei, dass sich der Preisauftrieb in absehbarer Zeit beruhigen wird und deshalb keine allzu harten Eingriffe der Notenbanken erforderlich werden.
Faktor 3: Geopolitik
Der dritte Faktor ist die Politik. Die Spannungen zwischen den USA und China sind nach wie vor akut und könnten sich beispielsweise mit Blick auf Taiwan rasch verschärfen. Erhebliche politische Konsequenzen könnten auch die Kongresswahlen in den USA im November 2022 haben, denn nach Lage der Dinge könnten die Republikaner in beiden Häusern des Kongresses eine Mehrheit gewinnen. Angesichts der zunehmenden Polarisierung der US-Politik würde das die politische Handlungsfähigkeit der USA möglicherweise stark beeinträchtigen. Aktuell zieht aber vor allem der Konflikt „NATO-Ukraine-Russland“ die Aufmerksamkeit auf sich. Trotz der jüngsten Andeutungen einer Deeskalation – an denen schon wieder Zweifel laut werden - ist nicht auszuschließen, dass es zu einer ernsten militärischen Auseinandersetzung kommt. Sanktionen und Gegensanktionen könnten dann leicht in eine Wirtschaftskrise münden, vor allem wenn die Energieversorgung nachhaltig beeinträchtigt und neue Preisschübe ausgelöst würden. Eine seriöse Abschätzung dieser politischen Risiken und ihrer potenziellen Folgen für die Finanzmärkte ist aber kaum möglich.
Erhöhte Risiken verlangen anlagepolitische Entscheidungen. Wir kommen zu dem Schluss, dass in dieser Situation dem Vermögenserhalt mehr Gewicht zugemessen werden sollte. Neben dem Abbau von Risikopositionen kommt dabei aus unserer Sicht vor allem der breiten Diversifikation eine hohe Bedeutung zu. Sehr üppig bewertete Titel und Sektoren erscheinen uns in dieser Phase stärker gefährdet. Im Bereich der Anleihen bevorzugen wir kurze Durationen. Insgesamt müssen sich die Anleger vermutlich nach einigen „fetten Jahren“ vorerst auf bescheidenere Erträge einstellen.
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