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Künstliche Intelligenz: Hype oder Megatrend?

Marktanalyse 12.07.2023

Blick auf die Finanzmärkte

 

Prof. Dr. Jan Viebig  Global Co-CIO ODDO BHF

 

 

Die Vorstellung von ChatGPT, einem Chatbot, der mit Nutzern über textbasierte Nachrichten kommuniziert, hat in der Öffentlichkeit und natürlich auch unter den Anlegern erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Zwar ist diese Anwendung der Firma Open AI mittlerweile in aller Munde (die Zahl der Nutzer soll bereits im April die Milliarden-Marke geknackt haben), aber steht keinesfalls allein. Zahlreiche Anwendungen, die dem Feld der „Generativen Künstlichen Intelligenz“ zuzurechnen sind, haben mittlerweile eine erstaunliche Leistungsfähigkeit erreicht. Diese Erkenntnis spiegelt sich in der Entwicklung des Aktienmarktes über die vergangenen Monate. Abbildung 1 zeigt, dass alle drei Subindizes des Technologiesektors des S&P 500 den Gesamtindex im Zeitraum seit November 2022, als ChatGPT vorgestellt wurde, deutlich schlagen konnten.

Versuchen wir zunächst, einige für das Verständnis grundlegenden Begriffe zu ordnen. „Künstliche Intelligenz“ ist ein Sammelbegriff für alle technischen Anstrengungen, Tätigkeiten, die von Menschen erbracht werden, zu automatisieren.  Historisch betrachtet verfolgte man zunächst ein Konzept, das heute als „symbolische Intelligenz“ bezeichnet wird und in den 80er Jahren in die Entwicklung von „Expertensystemen“ mündete. Der Grundgedanke war, dass ein Rechner aus Daten und Regeln automatisiert Entscheidungen generiert. Einen Durchbruch haben Forscher in den letzten Jahren in einem Teilbereich der künstlichen Intelligenz gemacht, der als „Machine Learning (ML)“ bezeichnet wird. Hier lernen Computer aus einer Vielzahl von Daten Regeln anhand von neuronalen Netzen oder anderen Verfahren des maschinellen Lernens, die ständig verbessert werden. Dies ist ein fundamentaler Durchbruch, da Computer heute aus Daten lernen können und nicht mehr explizit programmiert werden müssen. Oder anders gesagt: Maschinen können heute aus Daten lernen, wie Menschen aus Erfahrungen lernen (können).

Die größten Fortschritte haben Forschern mit Verfahren im Bereich des „Supervised Machine Learning“ („überwachtes ML) gemacht.  Hier werden dem Computer Daten wie Texte oder Bilder und die zugehörigen, gewünschten Ergebnisse vorgelegt. Dann überlässt man es dem Computer, anhand dieser Informationen die „Regeln“ zu entwickeln. Der Rechner nimmt nach bestimmten Methoden Datentransformationen vor, die zu neuen „Repräsentationen“ der Daten führen. Solche Transformationen werden so lange durchgeführt, bis die Repräsentation optimal zu den gewünschten Ergebnissen passt. „Deep Learning“ bezeichnet ein Konzept , bei dem Datentransformationen über eine Vielzahl von Ebenen vorgenommen und optimiert werden.

Zu den bahnbrechenden Entwicklungen im Bereich des „Deep Learnings“ zählen „konvolutionale neuronale Netzwerke“ sowie Transformer-Modelle. Erstere sind auf die Bilderkennung und -verarbeitung spezialisiert, eignen sich aber auch für andere Zwecke, z.B. Sprach- und Audiosignale. Wichtige Anwendungsfelder sind beispielweise die Gesichtserkennung oder die medizinische Bildanalyse. Es gibt aber inzwischen auch Systeme, die nach Vorgaben Bilder kreieren. Die Stärke der Transformer-Verfahren ist die Verarbeitung von natürlicher Sprache, die Übersetzung von Sprache und Text und die Generierung von Texten einschließlich der Entwicklung von Programmiercode. Dies beherrschen sie effizienter als frühere Algorithmen. Aktuelle Beispiele für Transformer-Modelle sind ChatGPT oder BARD, eine Google-Entwicklung. 

Wie kann man als Anleger von den Fortschritten bei der Entwicklung Künstlicher Intelligenz profitieren? In der ersten Reihe stehen diejenigen Unternehmen, die unmittelbar zur Entwicklung und immer breiteren Nutzung Künstlicher Intelligenz beitragen. 

Zunächst: Ohne eine sehr gute Datenbasis geht nichts. Die Daten werden benötigt, damit die Maschinen lernen können. Das macht Unternehmen interessant, die über große Datensätze verfügen.  Darüber hinaus sind KI-Anwendungen sehr rechenintensiv. Dazu bedarf es einer Hardware, die oftmals Milliarden von Parametern anhand von großen Datenmengen optimiert. Entsprechend zentral sind Rechenleistung, Speicherkapazität und Hochgeschwindigkeitsverbindungen. Außerdem braucht man die eigentliche KI, den Algorithmus oder das Modell, das mit Daten trainiert und lernt. Das IT-Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC schätzt, dass der Markt für KI-Software von 340 Mrd. $ im Jahr 2021 auf 790 Mrd. $ im Jahr 2026 steigen wird. Das bedeutet ein jährliches Wachstum von 18%. Und schließlich dürften auch IT-Dienstleister vom KI-Trend profitieren, da immer mehr Unternehmen beginnen, Anwendungsmöglichkeiten zu entwickeln. Neben den unmittelbar beteiligten Technologieunternehmen dürften zahlreiche andere Unternehmen von der Nutzung Künstlicher Intelligenz profitieren. Der Einsatz von KI wird über die nächsten 10 Jahre zu einer deutlichen Produktivitätssteigerung beitragen und die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft über lange Zeit wesentlich prägen. Dies macht KI nach unserer Meinung zu einem „Megatrend“.

Die wirtschaftlichen Chancen und Risiken für die mittelbar betroffenen Unternehmen sind zu diesem frühen Zeitpunkt nur schwer abschätzbar. Sie könnten Gewinner, aber auch Verlierer des technischen Fortschritts sein. Anlagepolitisch stehen für uns Unternehmen im Vordergrund, die unmittelbar von der wachsenden Verbreitung von KI profitieren, da sie über große Datenmengen oder effiziente KI-Algorithmen verfügen oder die Hardware (insb. Halbleiter) herstellen, die man zur Optimierung der neuronalen Netze benötigt. Wir meiden weiterhin spekulative Adressen, deren Bewertung sich allein auf große Hoffnungen stützt. Das entspricht unserem Ansatz, der auf Qualität und langfristigen Anlageerfolg ausgerichtet ist. In diesem Sinne fühlen wir uns mit Unternehmen wie beispielsweise ASML, TSMC, Samsung, Microsoft, Alphabet und Synopsis gut aufgestellt.

 


 

 

Wichtige Hinweise

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