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Christian Lindner muss Farbe bekennen

Marktanalyse 17.12.2021

MARTKANSICHTEN

17.12.2021

Christian Lindner wird schon bald Farbe bekennen müssen. Eine finanzpolitische Entscheidung von nationaler und europäischer Tragweite steht demnächst auf der Agenda: Die Reform des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts. Für das Haushaltsjahr 2022 gilt weiterhin die der Pandemie geschuldete Ausnahmegenehmigung, doch für das Haushaltsjahr 2023 sollten die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts wieder greifen. Im Rahmen des „Europäischen Semesters“ muss bis Ende April 2022 die Budgetplanung für das Folgejahr eingereicht werden. Insbesondere Frankreich und Italien drängen auf eine Flexibilisierung des Regelwerks und, ein langjähriges Anliegen Frankreichs, eine dauerhafte Übertragung größerer haushaltspolitischer Kompetenzen auf die Europäische Ebene. Christian Lindner als Finanzminister wird bald zeigen müssen, wieviel sein Wahlkampf-Bekenntnis zur Schuldenbremse wert ist. 

Fortschritte beim europäischen Einigungsprozess gab es immer dann, wenn der französisch-deutsche Motor funktioniert hat. Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, Valéry Giscard d’Estaing und Helmut Schmidt, François Mitterrand und Helmut Kohl – ohne den Mut dieser großen Europäer wäre die immer enger werdende Europäische Union mit nunmehr 27 Mitgliedstaaten nicht denkbar gewesen. Der letzte große Schritt im Einigungsprozess liegt mit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht am 7. Februar 1992 aber schon einige Jahre zurück. Initiativen gab es viele. Zuletzt die Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an der Pariser Universität Sorbonne im Jahr 2017, in der er ein starkes Europa forderte. Angela Merkel hat die Initiative nicht aufgegriffen, da Macron die Einsetzung eines EU-Finanzministers vorschlug. Ein alter Disput zwischen Deutschland und Frankreich. Frankreich sprach sich stets für eine Parallelität der Wirtschafts- und Geldpolitik mit einer starken Wirtschaftsregierung („gouvernement économique“) aus. In Deutschland setzte man sich in Maastricht erfolgreich für ein ordoliberales Konzept ein mit klaren fiskalpolitischen Stabilitätsregeln, die einer übermäßigen Verschuldung entgegenwirken sollten. Herr Macron machte einen Vorschlag, Frau Merkel schwieg.

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde eine einheitliche Währung in der Eurozone eingeführt. Die Einführung einer einheitlichen Währung bedeutet, dass der Wechselkursmechanismus entfällt. Durch eine Währungsabwertung verbessert sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Importe werden teurer, Exporte werden billiger. Der globalen Finanzkrise folgte ab 2010 die „Eurokrise“, unter der die südlichen „Peripheriestaaten“, Griechenland, Spanien, Portugal und Italien, besonders litten. Ein Ausgleich der unterschiedlichen Preis- und Produktivitätsentwicklungen war durch eine Wechselkursanpassung in dem einheitlichen Währungsraum nicht mehr möglich. Als Ausweg blieb Ländern wie Griechenland der Weg der „inneren Abwertung“. Die Preise und Löhne mussten sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Milliardenhilfen wurden gegen strikte fiskalpolitische Auflagen gewährt. Die restriktivere Fiskalpolitik führte dazu, dass staatliche Leistungen gekürzt wurden. Über die „Austeritätspolitik“ brach politischer Streit in Europa aus.  An den Finanzmärkten stiegen die Zinsen in den Peripheriestaaten während der Eurokrise stark an.

 

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