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MONTHLY INVESTMENT BRIEF
08.11.2022
Co-CIO
ODDO BHF
Portfoliomanager, Künstliche Intelligenz
ODDO BHF AM
“ Damit stellt sich nun die Frage, ob Technologiewerte vor einer längeren Phase der Underperformance stehen oder wieder attraktiv werden können. „
2022: EIN RABENSCHWARZES JAHR FÜR DIE TECHBRANCHE
Der bekannteste ETF für US-Softwarebranche, der
IGV verliert 39,8%, derHalbleiterindex SOX 39,2% und
der Tech-Index von Hongkong 42,4%.
Bereits jetzt zeichnet sich 2022 als ein rabenschwarzes
Jahr für den Technologiesektor ab, nachdem dort
jahrelang verlässlich gute Renditen zu verzeichnen
waren.
Alle Segmente des Sektors erlebten 2022 lange,
schmerzhafte Abwärtsphasen, die in eine schwere
Kapitulation mündeten. Den Anfang machten
chinesische Tech-Aktien und die Halbleiterindustrie,
dann waren die GAFAM-Unternehmen (Google,
Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) an der Reihe,
und am 4. November 2022 kapitulierten schließlich
auch die Software-Aktien.
Dieser historische Kurssturz im Technologiesektor ist
Teil einer breiteren Sektorrotation. Kapital wird aus
der Tech-Branche (insbesondere den GAFAM)
abgezogen und fließt in zwei Arten von Sektoren:
- Zyklische Sektoren (Energie, Finanzen und Industrie)
- Defensive Sektoren: Sektoren, bei denen auch in einer Rezession relativ stabile Ergebnisse erwartet werden (Pharma und Lebensmittel)
Damit stellt sich nun die Frage, ob Technologiewerte vor einer längeren Phase der Underperformance stehen oder wieder attraktiv werden können.
Folgende Faktoren sprechen aus unserer Sicht für eine optimistische Einschätzung:
- Die Segmente, die zuerst kapituliert haben (chinesische Tech-Werte und Halbleiter), erholen sich schon wieder.
- Einige Halbleiterfirmen haben ihre Prognosen bereits dreimal revidiert. Somit sind darin die Risiken bereits stärker eingepreist.
- Die Bewertungen haben ein Niveau erreicht, das für Anleger mit langem Anlagehorizont attraktiv ist. Man findet nicht selten Unternehmen mit zweistelligen Wachstumsraten, deren Bewertungen jedoch denen des Telekomsektors ähneln.
- Die Fundamentaldaten des Sektors sind nach wie vor überaus überzeugend, und auch bei den Frühindikatoren deutet nichts auf eine bevorstehende Wende im Halbleiter-Superzyklus hin.
Hierzu bedarf es Antworten auf folgende Fragen:
➢Wie weit werden die US-Zinsen steigen?
Die US-Notenbank passt ihre Strategie an. So dürfte
sie künftig kleinere Zinsschritte machen, dabei aber
beharrlich den Zielzinssatz weiter nach oben treiben.
Sie macht damit ihre zukünftige Politik von der Datenlage
abhängig, und dabei insbesondere von der Entwicklung
am Arbeitsmarkt, einem Schlüsselparameter,
um keine Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen.
Wir sind jedoch der Ansicht, dass sich einWendepunkt
abzeichnet und dass ein Großteil der geldpolitischen
Straffung hinter uns liegt. Die Fed dürfte die Auswirkungen
ihrer Geldpolitik auf die Wirtschaft genau
verfolgen und befürchtet zu Recht eine mögliche
Schieflage des Immobilienmarkts. Die Kurzfristzinsen
werden sicherlich noch weiter steigen, aber die
Langfristzinsenmöglicherweise nicht ...
Unser Szenario: Stabilisierung der Langfristzinsen
➢Ist 2023 mit weiteren Abwärtskorrekturen der
Ergebnisse zu rechnen?
Davon gehen wir aus, weil die Prognosen der
Analysten in Rezessionsphasen hinterherhinken, und
einige Unternehmen dazu tendieren, für ihre Ausblicke
nur bereits erlebte Verschlechterungen (und nicht
noch ausstehende) zu berücksichtigen.
Unser Szenario: rückläufige Ertragskraft (gemessen
am EPS) in dieser Konjunkturphase zu erwarten
➢Steht ein weiterer Rückgang der Bewertungskennzahlen
bevor?
Davon gehen wir nicht aus. Im Gegenteil: Künftige
Enttäuschungen sollten durch einen Anstieg der
Bewertungskennzahlen kompensiert werden; das zeigt
ein Blick auf frühere Krisen, vor allem, wenn sich die
Zinsen stabilisieren, und umso mehr,wenn sie sinken.
Unser Szenario: Keine Kompression der Bewertungskennzahlen
bei gleichzeitiger Stabilisierung der
Zinsen und Normalisierung des Angebotsschocks
➢Haben wir den ersten Akt der Tech-
Götterdämmerung (Google, Amazon, Facebook,
Apple und Microsoft) erlebt?
Die Kapitalisierung dieser fünf Tech-Giganten wiegt in
den Indizes derzeit so schwer (ca. 25% des S&P), dass
diese Titel eine spezielle Analyse verdienen. Die
Geschichte des Technologiesektors ist gekennzeichnet
vom Aufstieg und Niedergang großer Unternehmen,
die von einer neuen Generation innovativerer Akteure
mit disruptiven Geschäftsmodellen abgelöst wurden.
Der massive Rückgang der Marktkapitalisierung, den
wir im Oktober und November bei diesen fünf Titeln
erlebt haben, könnte in diese Richtung weisen. Und
doch hüten wir uns vor einer solchen Schlussfolgerung.
Microsoft gegenüber bleiben wir weiterhin sehr
optimistisch eingestellt. Grund ist die Fähigkeit des
Konzerns, in Schlüsselsegmenten wie Teams, Cybersicherheit
oder der Power Platform nachhaltig zu wachsen. Auch für Google sind wir zuversichtlich, zum
einen aufgrund der Resilienz seines Kerngeschäfts,
aber auch wegen seiner Investitionen in künstliche
Intelligenz (Waymo, Calico, Verily). Dies ist bei den
anderen Unternehmen weniger der Fall, bei denen die
Gewinnaussichten kürzlich um den Faktor 4 geschrumpft
sind und insbesondere die erwarteten
Werbeeinnahmen deutlich nach unten korrigiert
wurden. Auch das Smartphone-Segment von Apple
entwickelt sich negativ, was sich unserer Analyse
zufolge in der Aktienbewertung niederschlagen dürfte.
Unser Szenario: es wird eine natürliche Auslese
stattfinden, die das Ende von GAFAM einläutet.
➢Ist mit einer Entspannung im chinesischamerikanischen
Technologiekonflikt zu rechnen?
Eher nicht. Die Interessensgegensätze rund um
Themen wie künstliche Intelligenz, die Verflechtung
der Lieferketten in der Halbleiter- und Hardware-
Branche und damit auch Taiwan sind zu tiefgreifend,
als dass hier ein Ende oder eine Verlangsamung des
Tempos der Restriktionen zu erwarten ist.
Unser Szenario: das optimistischste Szenario wäre
aus unserer Sicht die Beibehaltung des Status quo
➢Ist auch in anderen Teilen des Technologiesektors
mit einem Einbruch zu rechnen?
Sollte sich die Rezession verschärfen, wäre ein
denkbarer Kandidat hierfür eindeutig der Bereich
Infrastruktur-Software wie ERP (SAP, Oracle,
Workday). Gleiches gilt für einen größeren Teil der
Halbleiterfertigung für die Industrie.
Unser Szenario: Vor diesem Hintergrund empfehlen
wir auf Sektoren zu setzen, die den Absturz bereits
hinter sich haben
Wie lautet also unser Fazit? Was wären die notwendigen
Katalysatoren für eine Erholung des Sektors?
- Eine Pause bei den Zinserhöhungen
- Das Ende der Abwärtskorrekturen bei den Gewinnerwartungen (einige Segmente starten sogar sechs bis neun Monate vor dem Tiefstand der Ergebnisse wieder an der Börse durch)
- Eine Wiederbelebung der Fusions- und Übernahmeaktivitäten
- Der Einstieg opportunistischer und aktivistischer Anleger in unterbewertete Aktien.
Wenn diese Kriterien erfüllt sind (dem nähern wir uns an), würden wir zunächst Technologiewerten aus den Schwellenländern den Vorzug geben, dann der Halbleiterindustrie und schließlich dem Softwaresektor. Ein Ende der Null-Covid-Politik Chinas könnte etwa der Startschuss für Anleger sein, die Risiken in den Portfolios wieder zu erhöhen, wovon der Technologiesektor zweifellos profitierenwürde. Auf die Plätze ...