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2024: Erwartungen dämpfen
Laurent Denize – Global Co-CIO ODDO BHF Prof. Dr. Jan Viebig – Global Co-CIO ODDO BHF
Der Jahreswechsel ist ein beliebter, wenn auch willkürlicher Einschnitt für Bilanzen und Prognosen. Auch die Aktienanleger scheinen nach einer beeindruckenden Jahresendrallye im neuen Jahr nachdenklich geworden zu sein. So waren die ersten Handelstage von Gewinnmitnahmen und Verlusten bei den Gewinnern des vergangenen Jahres geprägt. Aber auch diese „Diät“ dürfte, wie so viele, wahrscheinlich nicht das ganze Jahr anhalten. Dennoch war es ein ernüchternder Start für die Kapitalmärkte. Die der Rally zugrunde liegende Erwartung von Zinssenkungen muss sich erst noch erfüllen, bevor die Party wirklich weitergehen kann. Dabei ist die Frage nicht so sehr, ob die Zinsen gesenkt werden, sondern wann und wie stark. Angesichts des kräftigen Wachstums und der verbesserten Finanzierungsbedingungen kann die Fed abwarten, ob die Inflation nachhaltig zurückgeht und dann mit Bedacht agieren. Für die EZB stellt sich die Situation schwieriger dar. In Europa zeichnet sich eine Rezession ab, die Kreditvergabe der Banken ist ins Stocken geraten, und der EZB-Rat ist sich über die nächsten Schritte keineswegs einig. Für Anleger empfiehlt es sich daher die Erwartungen auf schnelle Klarheit und eine bruchlose Fortsetzung der Kursrallye zu dämpfen.
Erfreuliche Bilanz eines wechselvollen Jahres
Die starke Jahresperformance der Kapitalmärkte außerhalb Chinas täuscht darüber hinweg, dass 2023 über weite Strecken von Volatilität und Unsicherheit geprägt war. Abzulesen war dies an den starken Zuflüssen in risikoarme Anlagen (insbesondere am Geldmarkt), die sich dank der Zinswende wieder lohnen. Ob diese für unsichere Zeiten angelegten Liquiditätspolster ihren Weg zurück in andere Anlageklassen finden, wird die Entwicklung im Jahr 2024 bestimmen.
Was für Anleihen spricht
Für Anleger in Rentenpapieren stellt sich die Frage, ob sich der Ende letzten Jahres einsetzende Trend sinkender Renditen fortsetzt oder ins Stocken gerät. Im historischen Vergleich sind die Zinsen immer noch so hoch, dass die Staatsverschuldung nicht in allen Ländern dauerhaft tragbar ist. Für eine Investition in Staatsanleihen mit langen Laufzeiten spricht, dass sie inzwischen eine der wenigen Anlagen mit Konvexität sind, bei denen der Wert der Anleihe bei fallenden Zinssätzen also stärker steigt als er bei steigenden Zinssätzen sinkt. Dies sorgt für einen gewissen Risikopuffer. Auch Unternehmensanleihen bieten unserer Ansicht nach weiterhin ein gutes Risiko-Ertrags-Profil. Das gilt sowohl für das Investment-Grade-Segment als auch für Hochzinsanleihen.
Wo noch Wachstum zu finden ist
Während bei festverzinslichen Wertpapieren die Chancen die Risiken überwiegen, scheint bei den Aktien angesichts der Wachstumsverlangsamung und der anspruchsvollen Bewertungen das Gegenteil der Fall zu sein. Doch letztendlich kommt es auf die Wachstumstrends der Unternehmen an, die je nach Sektor unterschiedlich ausfallen. Selbst die hohen Bewertungen von KI-Aktien, die bereits im letzten Jahr einen Boom erlebten, lassen sich im historischen Vergleich rechtfertigen. Bei der Einführung von PCs, Mobiltelefonen und Cloud-Technologien wurden die Zahl der Nutzer und damit das Ertragspotenzial stets deutlich unterschätzt. Dies könnte sich wiederholen. Nachdem im vergangenen Jahr vor allem die KI-Infrastruktur Wachstumstreiber war, könnten in den kommenden Jahren App-basierte Anwendungen für weitere Impulse sorgen. Die Eröffnung des GPT-Stores durch Open AI zu Beginn des Jahres wäre dann der Startschuss für den Einsatz von KI über den Technologiesektor hinaus. Das könnte einen Unterschied ausmachen: Nach dem Start des ersten App Stores von Apple wurden 2 Milliarden iPhones verkauft, davor waren es 2 Millionen. Auch im Luxussektor sind die Bewertungen noch nicht aus dem Ruder gelaufen, mit Ausnahme der Akteure im Ultraluxussegment. Für grüne Investments lief es aufgrund schwieriger Finanzierungsbedingungen und Lieferkettenproblemen zuletzt weniger gut. Angesichts der Notwendigkeit, erneuerbare Energien auszubauen, und der staatlichen Unterstützung für den Sektor sehen wir hier jedoch nach wie vor großes Potenzial. Der defensivere Gesundheitssektor schließlich bietet nicht nur stabile Erträge, sondern auch Wachstum durch Pharmaunternehmen, die von ihren Diät-Blockbustern profitieren. Bei chinesischen Aktien würden wir zurückhaltender sein – zwar sind die Bewertungen vielversprechend. Noch aber ist unklar, ob die internationalen Anleger wieder Vertrauen fassen werden.
Mit Blick auf die kommenden Monate geben wir Anleihen aufgrund ihrer höheren Realrendite den Vorzug gegenüber den volatileren Aktien. In einem Szenario, in dem eine Rezession trotz Wachstumsverlangsamung vermieden wird, der disinflationäre Trend anhält und die ersten Zinssenkungen im Laufe des Jahres erfolgen, sehen wir unsere Positionierung wie folgt:
- Bei Aktien ist angesichts des bereits eingepreisten Szenarios einer weichen Landung etwas Vorsicht geboten
- Konzentration auf langfristige Wachstumstrends in einigen ausgewählten Sektoren wie KI, ökologischer Wandel, Luxusgüter und Gesundheitswesen
- Neutrale Positionierung bei festverzinslichen Wertpapieren, solange die Renditen am kurzen Ende hoch bleiben
- Übergewichtung in Hochzinsanleihen mit kurzer Laufzeit, die einen attraktiven Carry bieten und selbst bei einer leichten Rezession keine hohen Ausfallraten aufweisen dürften
- Einstieg in Sektoren, die für die chinesische Regierung von strategischer Bedeutung sind
Im Falle einer wirtschaftlichen Stagnation wären defensive Aktien und der Yen unsere bevorzugten Anlagen. Rohstoffe wären die beste Option, um sich für eine mögliche Rückkehr der Inflation zu wappnen. Nicht alle Neujahrsvorhersagen werden sich in diesem Jahr erfüllen. Wer seine Erwartungen dämpft und sich nicht zu früh festlegt, kann die Chancen nutzen, die sich durch unvorhergesehene, überraschende Entwicklungen bieten.
Wichtige Hinweise
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