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Die Unsicherheit wächst
MONTHLY INVESTMENT BRIEF
MÄRZ 2020
Laurent Denize,
GLOBAL CO-CIO &
GLOBAL HEAD OF FIXED INCOME
Es ist Geduld gefragt: Ein exogener Schock wie dieser lässt sich nicht in wenigen Tagen verdauen
Die weltweiten Wirtschaftsaussichten haben sich in den letzten Wochen deutlich eingetrübt. Auch wenn sich das Coronavirus in China mittlerweile anscheinend langsamer ausbreitet, ist die wirtschaftliche Aktivität dort noch stärker eingebrochen als erwartet (Einkaufsmanagerindex bei 35,7). Zudem ist das Virus nun auch außerhalb Chinas auf dem Vormarsch. Dies gilt insbesondere für Teile Asiens sowie für Europa und hier vor allem für Norditalien. Auch die USA bleiben nicht verschont. Zwar waren bei den Konjunkturindikatoren zuletzt Zeichen für eine Erholung zu erkennen. Allerdings war die Lage angesichts der Unsicherheit bezüglich der Handelsbeziehungen und des schwächelnden verarbeitenden Sektors nur schwer einzuschätzen. Vor diesem Hintergrund dürften Störungen in den Lieferketten unweigerlich die Wachstumsaussichten beeinträchtigen.
Welches Szenario ist denkbar?
Zunächst einmal machen exakte Vorhersagen über die ökonomischen Auswirkungen angesichts eines Schocks dieser Dimension keinen Sinn. Die weitere Entwicklung der Gesundheitskrise und die politische Reaktion darauf sind zwei Parameter, die die Wertentwicklung risikoreicher Anlagen beeinflussen können. Durch Liquiditätszufuhr werden die Zentralbanken eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Konkursen, insbesondere im mittelständischen Sektor, spielen. Zwar tragen Zinssenkungen oder Liquiditätsspritzen (wie von der US-Notenbank gerade beschlossen) dazu bei, die Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen zu begrenzen und das Vertrauen wiederherzustellen. Sie lösen aber nicht das Problem auf der Angebotsseite, mit dem wir konfrontiert sind. Die Regierungen haben aufgrund ihrer Verschuldung sehr wenig Spielraum, um mit umfangreichen Konjunkturmaßnahmen gegenzusteuern. Daher müssen wir uns in unseren Szenarios jetzt darauf einstellen, dass das reale BIP im ersten Quartal weltweit sinkt. Sollte die Kombination aus Angebots- und Nachfrageschock anhalten, könnte die globale Konjunktur möglicherweise auf Gesamtjahressicht aus dem Tritt kommen.
Welche Indikatoren gilt es in den kommenden Monaten im Blick zu halten?
- Kreditspreads (ein Indikator für steigende Ausfallraten)
- Umsatz- und Gewinnwarnungen der Unternehmen
- Makroökonomische Daten
- Verbrauchervertrauen
- Von Zentralbanken und Regierungen angekündigte Maßnahmen
- Infektionsraten
Zum Abschluss noch ein kleines Zahlenspiel, das verdeutlicht, dass der Tiefpunkt sicher noch nicht erreicht ist. Vor der Korrektur betrug die Bewertung des US-Aktienmarktes das 19-fache der erwarteten Gewinne (geschätztes Gewinnwachstum für 2020: +9%). Nun ist sie auf 16,50 oder 17 gefallen. Was geschieht aber im Falle einer Korrektur des Gewinnwachstums auf Null? Damit läge das KGV wieder bei 18 oder 19. Folglich könnte es zunächst zu weiteren Verlusten kommen, wie sie letzte Woche zu beobachten waren, bevor sich wieder Einstiegspunkte finden, die diesem Risiko besser Rechnung tragen. Vielleicht ist es das, was wir gerade beobachten: Eine breite Neubewertung des Risikos verbun-den mit höherer Volatilität und sich daraus ergebenden künftigen Anlagemöglichkeiten. In der Zwischenzeit raten wir – wie schon im Vormonat – weiterhin zur Vorsicht. Es ist Geduld gefragt: Ein exogener Schock wie dieser lässt sich nicht in wenigen Tagen verdauen. Allmählich steigende Temperaturen – so steht zu hoffen – sollten das Gesundheitsrisiko und letztlich die Gesamtmortalität des Virus eindämmen.
Längerfristig drängen sich schon heute Überlegungen über eine Anpassung und Zentralisierung von Wertschöpfungsketten auf. Mit welchen Kosten wäre das verbunden? Was wären die mittel- und langfristigen Vorteile? Just-in-Time-Prozesse in der Produktion werfen auch Fragen wie Sicherheitsvorräte und die Auswirkungen auf der Angebotsseite im Falle von Versorgungsengpässen auf. Wie werden Unternehmen reagieren, um sich auf dieses neue Umfeld einzustellen? Einen kleinen Vorgeschmack hiervon haben wir schon im Zuge des Handelskonflikts erhalten. Im Ergebnis wird es zu massiven Umschichtungen in Portfolios kommen und sich zweifellos neue Chancen für Wertpotenzial eröffnen. Es ist an uns, diese neuen Trends zu erkennen und zu nutzen.