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Rezession droht – und was machen wir jetzt?

Marktanalyse 20.09.2022

BLICK AUF DIE FINANZMÄRKTE

15.09.2022

 

Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF

 

 

"Ein beliebtes Bonmot lautet: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn Sie die Zukunft betreffen“. Ökonomen analysieren Wirkungszusammenhänge, wenn sie die Zukunft prognostizieren."

 

1. Der Überfall auf die Ukraine hat zu einem Angebotsschock und hoher Inflation geführt. Die Zentralbanken werden die Zinsen weiter deutlich anheben. Die USA befinden sich bereits in einer „technischen Rezession“. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nach der NBER-Definition ist in den USA auf über 50% gestiegen. In Europa ist die Rezessionswahrscheinlichkeit aufgrund der Energiekrise noch höher.

2. Aktien korrigieren während einer Rezession typischerweise deutlich. Seit dem 14.2.2022 haben wir Aktien leicht untergewichtet. Aktien in Europa und den Schwellenländern sind nach gängigen Bewertungskennzahlen nach der Korrektur in den letzten Monaten nicht mehr teuer. In den USA hingegen sind Aktien - im Vergleich zu ihrer eigenen Historie - weiterhin relativ hoch bewertet.

3. Wir haben am 25.7.2022 wieder eine neutrale Aktienpositionierung eingenommen. Die vorsichtige Positionierung erfolgt derzeit durch eine defensivere Ausrichtung bei der Einzeltitelauswahl und eine stärkere Diversifikation und nicht mehr durch ein Untergewicht in Aktien. Die Erfahrung zeigt: Erst zum Ende einer Rezession oder kurz danach sollte die Aktienquote wieder deutlich angehoben werden. 

 

Die zentralen Wirkungszusammenhänge können derzeit wie folgt beschrieben werden: Aufgrund des Ukraine-Konflikts und des daraus resultierenden Energiepreisschocks steigt die Inflation dramatisch an. In der Eurozone etwa ist die Inflation zuletzt auf 9,1% gestiegen. Die höhere Inflation wiederum führt zu einer geringeren Kaufkraft und zu einem Einbruch der Stimmung unter den Konsumenten. Das von der University of Michigan berechnete „Consumer Sentiment“ etwa ist derzeit niedriger als während der Covid-Krise. Die hohe Inflation zwingt die Zentralbanken dazu, die Leitzinsen deutlich anzuheben. Die Federal Reserve hat die Federal Funds Target Rate seit März 2022 mehrfach auf nunmehr 2,25-2,50% angehoben. Die EZB hat länger gezögert, aber nun die Leitzinsen am 21. Juli 2022 um 50 Basispunkte und am 8. September 2022 nochmals um 75 Basispunkte erhöht. Weitere Leitzinserhöhungen werden folgen. Höhere Leitzinsen führen zu niedrigeren Investitionen und einer Wachstumsverlangsamung.

Folgt man diesem Bild, dann droht eine Rezession, da die Konsumenten weniger ausgeben und die Investitionen fallen. Ökonomen verwenden unterschiedliche Definitionen, wenn sie von einer „Rezession“ sprechen. Von einer „technischen Rezession“ wird gesprochen, wenn das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge fällt. In den USA ist die Volkswirtschaft im ersten und zweiten Quartal -1,6% und -0,6% (beide Zahlen annualisiert) gefallen. Die USA befinden sich damit in einer technischen Rezession. Die Eurozone konnte eine technische Rezession bisher vermeiden. Das Wachstum in der Eurozone war mit +0,8% (3,2% annualisiert) im zweiten Quartal überraschend positiv. 

In den USA definiert das National Bureau of Economic Research (NBER) eine Rezession als „einen signifikanten Einbruch in der ökonomischen Aktivität, die sich auf die ganze Volkswirtschaft überträgt und mehrere Monate anhält. Typische Kennzeichnen einer Rezession sind nach Auffassung des NBER, dass die Produktion einbricht, die Einkommen sinken, die Nachfrage nachlässt und die Arbeitslosigkeit dramatisch ansteigt. Dies ist derzeit noch nicht der Fall. Die Arbeitslosenquote in den USA etwa ist mit 3,7% weiterhin ungewöhnlich niedrig. Die entscheidende Frage für die Kapitalmärkte ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die USA in der Zukunft in eine Rezession nach der NBER-Definition abrutschen. Solche Wahrscheinlichkeiten können anhand unterschiedlicher Modelle geschätzt werden. Nach dem von uns präferierten Modell liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die USA und insbesondere Europa in den nächsten 12 Monaten eine Rezession nach NBER-Definition erleidet, zuletzt bei deutlich über 50%. Wie heftig die Rezession in Europa ausfallen wird, hängt insbesondere von den Entscheidungen Putins, dem Kriegsverlauf und damit der Schwere der Energiekrise in diesem Winter ab.

 

Am 14. Februar 2022, kurz vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hat das Global Investment Committee der Oddo BHF Gruppe entschieden, mit der Aktienpositionierung auf „leicht Untergewichten“ zu gehen. Am 25. Juli 2022 haben wir uns nach der heftigen Korrektur an den Börsen entschlossen, wieder eine „neutrale“ Haltung relativ zu den strategischen Vorgaben unserer Kundinnen und Kunden einzunehmen. Der entscheidende Punkt dafür ist, dass die Bewertungen von Aktien deutlich attraktiver geworden sind infolge der Korrektur an den Aktienmärkten. Verwendet man Kurs- / Buchverhältnisse, dann stellt man fest, dass Aktien in Europa und den Schwellenländern nun unter ihren langfristigen Durchschnittsniveaus handeln. Auch der Blick auf Kurs- / Gewinn-Verhältnisse, Free Cash Flow-Renditen und andere Bewertungskennzahlen zeigt, dass eine zumindest milde Rezession bereits in den Kursen eskomptiert ist. In den USA handeln Aktien noch über ihren langfristigen Durchschnittsniveaus.  Dafür gibt es allerdings gute Gründe. Zunächst: Europa liegt näher am Kriegsgeschehen. Eine Rezession in Europa ist aufgrund der Energiekrise wahrscheinlicher als in den USA. Vor allem aber: Die Kapitalrentabilität der Unternehmen ist jenseits des Atlantiks im Durchschnitt - nicht zuletzt wegen des höheren Gewichts von Technologieaktien – deutlich höher. 

Ein zweiter Grund, bei aller Vorsicht wieder etwas optimistischer zu werden, ist die extrem negative Stimmung unter Anlegern und Verbrauchern. Wir versuchen, antizyklisch zu agieren. In der Vergangenheit hat es sich bewährt, schrittweise und langsam Risikopositionen aufzubauen, wenn die Angst der Marktteilnehmer besonders hoch ist. Natürlich sind die Risiken, dass die Gewinne der Unternehmen infolge einer Rezession deutlich nachgeben, derzeit hoch. In der ersten Phase der Krise, ab dem 14. Februar 2022, haben wir Aktien relativ zu den Vorgaben unserer Kundinnen und Kunden leicht untergewichtet. Seit dem 25. Juli 2022 erfolgt die vorsichtigere Positionierung nun über eine defensivere Ausrichtung bei der Einzeltitelauswahl und eine höhere Diversifizierung, aber nicht mehr primär durch eine Untergewichtung von Aktien. Als Qualitätsinvestoren investieren wir langfristig in Unternehmen, die hohe Kapitalrenditen und klare Wettbewerbsvorteile aufweisen sowie strukturell – also möglichst unabhängig von den allgemeinen Konjunkturschwankungen – wachsen. Wir kaufen die Aktien der Unternehmen, wenn sie zu einem angemessenen Preis an den Märkten handeln und halten diese dann langfristig. 

Die nachfolgende Graphik zeigt, dass Aktien während Rezessionen deutlich einbrechen. Ihren Tiefpunkt erreichen sie meist während und nicht nach einer Rezession. Während der Rezessionen um die Jahre 1970, 1974, 1982, 1991, 2009 und 2020 erreichte der S&P 500 seinen Tiefpunkt während der Rezession und stieg danach wieder an. Während der Rezession nach der Internet Bubble im Jahr 2000 fiel der S&P 500 bis September 2002 und erholte sich dann bis September 2007 wieder deutlich.

 

Die Erfahrung zeigt: Wer zum Ende einer Rezession oder unmittelbar danach irgendwann den Mut findet, in Aktien zu investieren, der erzielt – wie die Graphik unten verdeutlicht – langfristig meist attraktive Renditen. 

 

 

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Wichtige Hinweise
Dieses Dokument wurde von der ODDO BHF Aktiengesellschaft nur zu Informationszwecken erstellt. Darin enthaltene Äußerungen basieren auf den Markteinschätzungen und Meinungen der Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Diese können sich abhängig von den jeweiligen Marktbedingungen ändern. Weder dieses Dokument noch eine in Verbindung damit gemachte Aussage stellt ein Angebot, eine Aufforderung oder eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten dar. Etwaig dargestellte Einzelwerte dienen nur der Illustration. Einzelne Aussagen sind weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung durch hierfür qualifizierte Personen zu ersetzen. Bevor in eine Anlageklasse investiert wird, wird dringend empfohlen, sich eingehend über die Risiken zu erkundigen, denen diese Anlageklassen ausgesetzt sind, insbesondere über das Risiko von Kapitalverlusten.



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