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Zu schnell zu hoch?
MARKET FLASH
10. Juni 2020
Ein nachhaltiger Aufschwung?
Noch am 16. März näherte sich der CAC 40 der Marke von 3.600 Punkten, mittlerweile hat der französische Leitindex die 5.000-Marke durchbrochen. Der Nasdaq liegt derweil seit Jahresbeginn mit 8% im Plus. Die steigenden Kurse werfen zwei fundamentale Fragen auf: Ist dieser Aufschwung nachhaltig? Und: Erleben wir endlich die lang erwartete Wende?
Ähnlich wie bei den Zinsen habe ich bei diesem Thema kapituliert. Kann die Wirtschaft schnell genug wachsen, um die Bewertungen zyklischer und unterbewerteter Unternehmen anzuheben? Die schwache Produktivität, mangelnde Strukturreformen und die gleichzeitige schwere Belastung der Angebots- und Nachfrageseite durch Covid-19 lassen hierzu keine seriösen Prognosen zu.
Erwacht Europa?
„Und trotzdem“ (wie es in Charles Aznavours berühmten Lied Et pourtant heißt) könnte die Europäische Union ihre Integration mit neuem Elan vorantreiben, die Themen Solidarität und Koordination in Angriff nehmen und mehr Föderalismus wagen. Nachdem sich Europa fast zwanzig Jahre überwiegend mit sich selbst beschäftigt hat, könnte der deutsch-französische Plan dem „alten Europa“ im Wettlauf um Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität neues Leben einhauchen.
Vom Wort zur Tat ist es natürlich noch ein langer
Weg. Fortsetzung folgt also, doch dieses so
komplexe Jahr 2020 hat uns immer wieder
überrascht.
Hohe und anhaltende Arbeitslosigkeit
Die optimistischen Erwartungen der Märkte und die tatsächliche wirtschaftliche Lage, bei der es aktuell darauf ankommt, die Arbeitslosigkeit insbesondere in den USA einzudämmen, driften weiter auseinander. Leider besteht das Risiko, dass sich der Arbeitsmarkt sehr viel langsamer erholt als die Produktion, da die besonders von den Kontaktbeschränkungen betroffenen Sektoren auch die meisten Menschen beschäftigen. In den USA steuert das Freizeit- und Gaststättengewerbe nur 4% zum Wachstum bei, beschäftigt jedoch 11% der erwerbsfähigen Bevölkerung. Der US-Einzelhandel kommt auf 5% bzw. 10%. Wenn beide Sektoren nur mit halber Kraft laufen (gemessen am Niveau vor Ausbruch der Pandemie), sinkt die Produktion um 4,5%, die Beschäftigung jedoch um 10,5%.
Umgekehrt tragen wenig betroffene Sektoren kaum zur Beschäftigung, aber viel mehr zum Wachstum bei: Die Finanzwirtschaft etwa kommt auf nur 6% der Arbeitsplätze, aber auf 19% des Wachstums. Im IT-Sektor arbeiten 2% der Erwerbstätigen, die 5% des Wachstums erwirtschaften.
Die Zentralbanken könnten eine Depression verhindern
Läuft die Wirtschaft trotz Kontaktbeschränkungen wieder an – weil die Politik oder aber die Menschen selbst es so wollen – könnte sich das Wachstum erholen, ohne dass der Arbeitsmarkt mitzieht. In diesem Fall bliebe den Zentralbanken keine andere Wahl, als ihre extrem expansive Geldpolitik fortzusetzen oder sogar auszubauen. Sind das nun schlechte Nachrichten? Nicht unbedingt, denn der steigende Zufluss von „Zentralbankgeld“ hat die Bewertungen an den Finanzmärkten auf neue Höchststände getrieben.
Kurzfristige Verlustrisiken
Kurzfristig sehen wir einige Abwärtsrisiken für die Kapitalmärkte. Dafür könnten unter anderem neue Spannungen zwischen China und den USA sorgen, eine Eskalation in Hongkong oder aber, ausgelöst durch die Lockerungsmaßnahmen, eine zweite Pandemiewelle. Aktuell erleben die USA zudem erhebliche Unruhen und politische Turbulenzen. Doch all diese Risiken müssen einer Normalisierung der Märkte für Risikoaktiva keineswegs im Weg stehen. Dafür sprechen aus unserer Sicht vier Gründe:
- Eine bislang noch nicht in Fahrt gekommene große Rotation in Aktien
- Schnelle und flexible Eingriffe der Zentralbanken zur Behebung von Finanzierungsproblemen der Unternehmen
- Strukturelle Veränderungen im Liquiditäts-und Zinsumfeld
- Die schrittweise Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen, die voraussichtlich auch eine wirtschaftliche Erholung nach sich ziehen wird.
Vor diesem Hintergrund kommt es in den nächsten Monaten weniger auf die Gewichtung von Risikoaktiva an als auf ihre Auswahl (Sektor, Stil, Region).
Mehr Details werden sich in unserer Anlagestrategie im Juni finden.
Bleiben Sie gesund!
Laurent Denize Global co-CIO ODDO BHF Asset Management |