Neueste News

Und doch ...

Marktanalyse 15.12.2022

MONTHLY INVESTMENT BRIEF

15.12.2022

 

laurent denize.jpg

 

 

Laurent Denize – Global Co-CIO ODDO BHF

 

 

 

"Diese Wirtschaftsaussichten sprechen auf den ersten Blick nicht für eine größere Umschichtung der Portfolios in Risikowerte. Dennoch blicken wir mit Zuversicht auf das Jahr 2023."

Und doch – eigentlich stand das Jahr 2022 unter einem guten Stern. Es sollte das Jahr werden, in dem die Notenbanken ihre Geldpolitik endlich wieder normalisieren würden – eine schrittweise, harmonische Normalisierung. Der Jahresauftakt war durch eine spektakuläre Sektorrotation hin zu Substanzaktien gekennzeichnet, die in nur einem Monat eine Outperformance von fast 10% verzeichneten. Und die europäische Wirtschaft nahm wieder Fahrt auf. Zumindest bis zu Putins Entscheidung, die Ukraine anzugreifen. Was danach kam, wissen wir: Nahezu sämtliche Anlageklassen verloren im Jahr 2022 an Wert. 

 

Ausblick auf 2023: Konjunkturabkühlung und hohe Inflation

Die globalen Wirtschaftsaussichten präsentieren sich am Jahresende wenig erfreulich, insbesondere für Europa. Das vorherrschende Szenario für 2023 ist unserer Einschätzung nach ein leichter Rückgang des BIP in der Eurozone, der in den USA in der ersten Jahreshälfte gerade noch vermieden werden könnte. Trotz einer moderaten Konjunkturerholung in China dürfte sich das weltweite Wachstum daher weiter auf etwa 2% abschwächen. 

Die größte Unsicherheit für das kommende Jahr betrifft die weitere Entwicklung der Inflation. Die Anleger haben ihre Erwartungen an die Zins-Endraten von EZB (~3%) und FED (~5%) kürzlich leicht nach unten korrigiert und rechnen nun damit, dass die US-Notenbank ihre Geldpolitik sogar vor dem nächsten Herbst wieder lockert. In diesem Sinne sind die Anleger viel zu optimistisch und könnten eine Enttäuschung erleben. Während die USA die Inflationsspitze bereits überstanden zu haben scheinen und die meisten übrigen Volkswirtschaften kurz davor sind, zeigt die Kerninflation (bei der die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert sind) kaum Anzeichen einer Abschwächung. Trotz einer deutlichen Abkühlung des Immobilienmarktes könnte sich die Inflation daher als hartnäckiger erweisen, als vom Konsens erwartet. Der Arbeitsmarkt bleibt dynamisch, die Lohninflation verfestigt sich strukturell immer stärker. Der aktuelle Inflationsrückgang könnte sich also nur als vorübergehend erweisen und bereits Ende 2023 wieder vorbei sein angesichts der Konjunkturerholung in China und des Investitionsbedarfs im Zusammenhang mit dem ökologischen Wandel und Reshoring-Aktivitäten. 
Das aktuelle Niveau der langfristigen Zinsen erscheint angesichts der strukturell hohen Inflation daher sowohl in den USA als auch in Europa zu niedrig. 

 

Und doch bleiben wir in Bezug auf Risikowerte zuversichtlich

Diese Wirtschaftsaussichten sprechen auf den ersten Blick nicht für eine größere Umschichtung der Portfolios in Risikowerte. Dennoch blicken wir mit Zuversicht auf das Jahr 2023. Der wichtigste Grund für diesen vorsichtigen Optimismus sind die aktuellen Bewertungen von Aktien und Anleihen, die Renditen bieten wie zuletzt 2009. 

Anleihen die zu bevorzugende Anlageklasse im Jahr 2023

Zweifellos bleiben Unternehmensanleihen die aussichtsreichste Anlageklasse. Je nach der persönlichen Risikotoleranz bietet sich eine Anlage in Qualitätsanleihen mit Renditen von 3,5% bzw. in riskanteren Anleihen mit Renditen von 6,5% aus dem fünfjährigen Laufzeitsegment an. Interessant sind außerdem nachrangige Anleihen bonitätsstarker Emittenten aus dem Banken- und Unternehmensbereich. Die Renditen solider Emittenten liegen derzeit bei ca. 6%. 

Warum halten wir es für sinnvoll, in Unternehmensanleihen zu investieren, wenn die Wirtschaft am Rande einer Rezession steht? Der Grund dafür ist eher philosophischer oder soziologischer Natur. Die Regierungen haben während der Covid-Krise versucht, mit ihrer Haushaltspolitik das Human- und Produktivkapital um jeden Preis vor den Folgen des Angebots- und Nachfrageschocks zu schützen. Der Ausstieg aus dieser Politik wird sich eine Weile hinziehen, was zahlreiche Emittenten vor einem Kreditausfall bewahren wird, der unter normalen Umständen angesichts des Konjunkturrückgangs unvermeidlich wäre. Man sollte daher die aktuelle Risikoprämie, das heißt die in den Anleihepreisen implizierte Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls (40% kumuliert für 5 Jahre) der tatsächlichen Ausfallwahrscheinlichkeit (welche deutlich niedriger ist) gegenüberstellen.

Aktien: Ausreichend niedrige Bewertungsniveaus, um mögliche Gewinnenttäuschungen auszugleichen

Angesichts der jüngsten Rallye sind die Aktienmärkte zwar im Falle einer schweren Rezession etwas stärker gefährdet als noch vor ein paar Wochen, sie dürften sich aber im Basisszenario einer moderaten Rezession durchaus gut behaupten. Während die Wirtschaft der Eurozone zwischen Ende 2011 und Anfang 2013 sechs aufeinanderfolgende Quartale lang schrumpfte, holte der Eurostoxx zwischen 2012 und 2013 um fast 40% auf. Der Index wird derzeit mit dem 12-fachen der geschätzten Gewinne bewertet (Ende 2011: 9x, Ende 2013: 15x), was im historischen Vergleich immer noch moderat ist. Diese Schätzungen beinhalten bereits ein Gewinnwachstum von quasi Null im Jahr 2023. 

Und genau hier ist es erforderlich, die Perspektive zu wechseln. Angesichts des Inflationsumfelds müssen wir die Dinge nicht in realen, sondern in nominalen Zahlen betrachten. Durch dieses Prisma betrachtet stehen wir vor einem deutlichen Rückgang (-7%), der bereits in den Börsenkursen enthalten ist. Wir erwarten dennoch nur wenige positive Überraschungen bei den Unternehmensgewinnen. Der Anstieg der Inputkosten wurde von den Unternehmen größtenteils in Form von höheren Produktpreisen an die Konsumenten weitergegeben, was sich allerdings angesichts des globalen Rückgangs der Sparquoten der privaten Haushalte sowie der verfügbaren Einnahmen kaum fortsetzen dürfte. Demgegenüber nähert sich der Rückgang der Bewertungskennzahlen in Verbindung mit den Zinserhöhungen seinem Ende. Eine Rückkehr zu historischen Durchschnittswerten (12-Monats-KGV von 14x) könnte daher die europäischen Aktienindizes steigen lassen. In einem solchen Fall wäre selbst bei einem Gewinnrückgang um 10% ein Anstieg der Aktienkurse um 5% durchaus realistisch. 

Dabei muss jedoch die starke Sektorrotation im Auge behalten werden, die voraussichtlich anhalten wird. 2022 profitierten Energieunternehmen in Europa vor dem Hintergrund einer von den Energiekosten angefachten Inflation von spektakulären Margengewinnen, während die Immobilienunternehmen den Anstieg der Zinsen schlecht verkraftet haben, mit negativen Auswirkungen auf ihre Börsenkurse. Wie sollten sich Anleger mit Blick auf 2023 positionieren? Die von exogenen Faktoren getriebene Inflation dürfte allmählich nachlassen. Der Fokus sollte daher auf die endogene Inflation gerichtet werden, die durch einen möglichen Anstieg des Lohnwachstums ausgelöst werden könnte. Vor dem Hintergrund einer von Zweitrundeneffekten angetriebenen Inflation sollten Anleger eher auf kapitalintensive Titel setzen (z.B. Technologiewerte) anstatt auf arbeitsintensive Sektoren. Vorsicht ist auch bei Engagements geboten, die sich zu sehr auf die großen Profiteure eines schwachen Euro konzentrieren. Angesichts der jüngsten Aufwertung des Euro und einer Inflationsentwicklung, die die EZB veranlassen könnte, ihre geldpolitische Straffung auch dann fortzusetzen, wenn die Fed sie beendet hat, könnten nicht abgesicherte in Fremdwährungen notierte Positionen die Performance künftig negativ beeinflussen.

Auf regionaler Ebene bevorzugen wir Europa, das Vereinigte Königreich sowie die Schwellenländer (einschließlich China). Die Auflösung von Carry Trades (Aufnahme von Krediten in einer niedrig verzinsten Währung, um die Mittel in Finanzprodukten anzulegen, die in einer höher verzinsten Währung notiert sind) dürfte für eine Outperformance dieser Regionen gegenüber dem Dollarraum sorgen. Diese Entwicklung hat bereits begonnen und wird sich voraussichtlich im Jahr 2023 beschleunigen. 

 

Fazit

Die steigenden Spreads und Zinsen haben dafür gesorgt, dass Anlagen in Anleihen wieder attraktiv sind. Dagegen machen die geopolitischen Unsicherheiten und die globale Konjunkturabschwächung eine Aktienanlage komplizierter, aber nicht weniger spannend. Mit Blick auf den Jahresauftakt 2023 favorisieren wir weiterhin Wachstumstitel und Regionen, deren Währungen uns unterbewertet scheinen. Einzelheiten hierzu erfahren Sie in unserer Investmentstrategie, die wir Ihnen im Januar vorstellen werden.

Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und hoffe, dass sich 2023 als besser erweist als der doch eher „verkork(s)te“ Jahrgang 2022.

 

 

download.jpgErfahren Sie mehr

 

Wichtige Hinweise

Dieses Dokument wurde von der ODDO BHF SE nur zu Informationszwecken erstellt. Darin enthaltene Äußerungen basieren auf den Markteinschätzungen und Meinungen der Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Diese können sich abhängig von den jeweiligen Marktbedingungen ändern. Weder dieses Dokument noch eine in Verbindung damit gemachte Aussage stellt ein Angebot, eine Aufforderung oder eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten dar. Etwaig dargestellte Einzelwerte dienen nur der Illustration. Einzelne Aussagen sind weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung durch hierfür qualifizierte Personen zu ersetzen. Bevor in eine Anlageklasse investiert wird, wird dringend empfohlen, sich eingehend über die Risiken zu erkundigen, denen diese Anlageklassen ausgesetzt sind, insbesondere über das Risiko von Kapitalverlusten.

 

 

ODDO BHF

ODDO BHF SE · Bockenheimer Landstraße 10 · 60323 Frankfurt am Main · Postanschrift: 60302 Frankfurt am Main ·

Vorstand: Philippe Oddo (Vorstandsvorsitzender) · Grégoire Charbit · Joachim Häger ·

Christophe Tadié · Benoit Claveranne . Monika Vicandi . Vorsitzender des Aufsichtsrats: Werner Taiber · Sitz: Frankfurt am Main.

Registergericht und Handelsregister Nummer: Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 73636 USt-IdNr. DE 814 165 346 · BIC/SWIFT

BHFBDEFF500 - www.oddo-bhf.com