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Ökonomen-Streit: Welche Folgen hat ein deutsches Embargo für russische Energie?
MARKTANSICHTEN
06.04.2022
In den letzten zwei Jahren wurden die Märkte gleich von zwei schwerwiegenden Krisen getroffen: der COVID-Pandemie, die im Dezember 2019 ihren Anfang nahm, und dem völkerrechtswidrigen Überfall Putins auf die Ukraine am 24. Februar 2022. Zudem ist die Inflation zuletzt mit 7,9% in den USA und 5,9% in der Eurozone auf ein Niveau gestiegen, das wir seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben. Vor diesem Hintergrund diskutieren Ökonomen derzeit, welche Effekte ein Embargo für russische Gas-, Öl- und Kohle- Lieferungen auf Deutschland haben könnte.
Nun liegt mit der Studie von Bachmann et al. (2022) eine erste ökonomische Einschätzung der Folgen eines Energieembargos für Deutschland vor. Die neun Autoren dieser Studie schätzen, dass ein Stopp russischer Energieimporte zu einem Rückgang des deutschen Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 0,5% bis 3% führen würde. Der Rückgang des Bruttoinlandsproduktes während der Pandemie im Jahr 2020 sei hierzulande mit 4,5% höher gewesen. In einer Ad-hoc Stellungnahe vom 8. März 2022, an der unter anderem Veronika Grimm mitgewirkt hat, die dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört, kommt die Leopoldina (2022) zum gleichen Schluss wie Bachmann et al. (2022): Ein kurzfristiger Lieferstopp von russischem Gas sei beherrschbar für die deutsche Volkswirtschaft.
Zunächst zu den Fakten: Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat am 24. Februar 2022 berichtet, dass Deutschland im Jahr 2021 Güter im Wert von 33,1 Mrd. Euro aus Russland eingeführt hat – bei Exporten nach Russland in Höhe von 26,6 Mrd. EUR. Der größte Teil dieser Importe bestand aus Einfuhren von Öl und Gas (19,4 Mrd. EUR), Metallen (4,5 Mrd. EUR), Koks und raffiniertem Erdöl (2,8 Mrd. EUR) und Kohle (2,2 Mrd. EUR). Relativ zum deutschen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 in Höhe von 3570 Mrd. EUR sind die Importe aus Russland in Höhe von 33 Mrd. EUR relativ gering (alle Daten: Destatis). Blickt man hingegen auf die Anteile der einzelnen Energieträger, die Deutschland aus Russland bezieht, dann kommt man zu dem Schluss, dass sich Deutschland in eine große Abhängigkeit zu Russland begeben hat: Deutschland bezog 55% des Erdgases im Jahr 2020 sowie 34% des Öls und 26% der Kohle im Jahr 2021 aus Russland (Bachmann et al., 2022).
Gute Volkswirtschaftslehre zeichnet sich dadurch aus, dass Wirkungszusammenhänge beschrieben werden. Unstrittig zwischen Ökonomen ist, dass wir es derzeit mit einem Angebotsschock infolge stark steigender Rohstoffpreise zu tun haben, der wie folgt wirkt: Die steigenden Rohstoffpreise führen, erstens, zu einem sprunghaften Anstieg der Inflation. Der Anstieg der Inflation wirkt, zweitens, wie eine „Ölsteuer“: Wer mehr an der Zapfsäule ausgibt, hat weniger Geld für den Kauf anderer Güter und Dienstleistungen verfügbar. Die hohe Inflation führt, drittens, früher oder später zu steigenden Zinsen. In den USA werden die Zinsen dieses Jahr vermutlich fünf bis sieben Mal angehoben. Steigende Zinsen führen, viertens, zu niedrigeren Investitionen und einer Wachstumsverlangsamung. Infolge eines Angebotsschocks steigt, fünftens, die Unsicherheit in der Wirtschaft, beispielsweise infolge steigender Inputkosten, Lieferkettenproblemen oder steigenden Kreditausfällen.
Eine mögliche weitere Folge ist, sechstens, eine Lohn-Preis-Spirale, wenn die Gewerkschaften einen Ausgleich für die steigende Inflation in Form höherer Löhne durchsetzen können. Während früher die Diskussion von Wirkungszusammenhänge im Vordergrund ökonomischer Analysen stand, versuchen Ökonomen heute anhand mathematischer Modelle, die Effekte politischer Maßnahmen wie einem Energieembargo möglichst präzise zu schätzen. Bachmann et al. (2022) nutzen drei Modelle, um zu analysieren, wie sich ein Angebotsschock infolge eines Embargos für russische Energieimporte auf die deutsche Volkswirtschaft auswirken könnte. Die Studie ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie detailliert die Handelsbeziehungen vieler Länder und die Input-Output-Struktur auf Sektorenebene berücksichtigt. Die Elastizität der Substitution von Inputfaktoren und Zwischenprodukten könnte in Krisenzeiten freilich weitaus niedriger sein, als die Autoren annehmen. Zudem hat ein Angebotsschock – wie oben ausgeführt – zahlreiche weitere Folgen, die die Studie bestenfalls unvollständig erfasst. Bachmann et al. (2022) gehen wenig realitätsnah davon aus, dass Nachfrageeffekte vollständig durch staatliches Handeln kompensiert werden und Zweitrundeneffekte ausbleiben. Realistische Szenarioanalysen, wie sich ein sprunghafter Anstieg der Preise auf das Nachfrageverhalten auswirken könnte, unterbleiben.
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