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Die Ölkrise 1973/1974 - Parallelen und Unterschiede zum Ukraine-Konflikt
BLICK AUF DIE FINANZMÄRKTE
14.10.2022
Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF
"In sieben von acht Rezessionen in den USA seit 1965 war es richtig, die Aktienquoten erst kurz vor dem Ende der Rezession wieder zu erhöhen. Dort sind wir derzeit noch nicht."
„Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.“ Seit über 40 Jahren haben Investoren keinen derart starken Angebotsschock mehr erlebt. Dieser Schock, der die Produktionskosten erhöht und damit die produzierten Güter und Dienstleistungen verteuert und verknappt, wurde maßgeblich durch den Ukraine-Konflikt ausgelöst. Viele versuchen, die aktuellen Marktgeschehnisse mit den Ölkrisen der 70er Jahre zu vergleichen und entsprechende Schlussfolgerungen für ihre Anlagestrategie zu ziehen. Während des Yom-Kippur-Krieges im Oktober 1973 verhängten die arabischen OPEC-Staaten unter Führung Saudi-Arabiens über sechs Monate ein Ölembargo gegen Staaten, die Israel im Krieg unterstützten. Doch wie vergleichbar sind beide Angebotsschocks wirklich, und welche Schlussfolgerungen lassen sich für Investoren ziehen, um im aktuell unruhigen Marktumfeld sicher zu navigieren?
Damals und heute war ein regionaler Konflikt Auslöser für Sanktionen und entwickelte sich zu einem globalen Wirtschaftskrieg. Dies führte zu einer drastischen Verknappung des Energieangebots, begleitet von einem starken Anstieg der Energiepreise.
Die gestiegenen Energiepreise befeuerten die Inflation in den USA und zwangen die US-Notenbank Federal Reserve jeweils zu erheblichen Zinserhöhungen, wie Abbildung 1 zeigt. Das Resultat: Stagnation.
Hohe Inflation ohne Wachstum. Während der 1. Ölkrise stand die Inflationsrate bei durchschnittlich 9,2%, während des Ukraine-Konflikts bisher bei 8,4%. Das BIP-Wachstum sank von 5,7% im Jahr 1973 auf -0,5% 1974. Für 2022 wird ein Rückgang von 6,0% im Vorjahr auf 1,5% im laufenden Jahr geschätzt. Auf eine solche Gemengelage reagierten die Aktienkurse schon in den 70ern sehr „allergisch“. Der amerikanische S&P 500 (Total Return) kehrte erst nach etwa 3 Jahren wieder auf sein Vorkrisenniveau zurück. Der maximale Verlust betrug damals fast 50%. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine fiel der S&P 500 bisher um fast ein Viertel.
Abbildung 2 zeigt den Anstieg des Ölpreises während der 1. Ölkrise und heute. Beide Preisschocks sind in ihrer Dimension sehr ähnlich. Der jüngste Anstieg der Energiepreise erfolgt in dieser Krise aber einen deutlich längeren Zeitraum als während der 1. Ölkrise. Er begann bereits zur Covid-Hochphase im April 2020. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die Energieintensität der Produktion damals wesentlich höher war als heute: Im Vergleich zu den 70er Jahren ist heute nur noch halb so viel Öl nötig, um die gleiche Wirtschaftsleistung zu produzieren. Hinzu kommt, dass die USA sich vom Nettoimporteur in den 70er Jahren zum Nettoexporteur von Energie gewandelt haben. Abbildung 3 zeigt, dass Europa weitaus stärker von den steigenden Gaspreisen betroffen ist als die USA.
Während einer Stagflation geraten Unternehmensgewinne von mehreren Seiten unter Druck. Hohe Energierechnungen und Lohnforderungen erhöhen die Kosten, während ein negatives Konsum- und Investitionsklima die Umsätze von der Nachfrageseite bedroht. In einer solchen Phase ist es umso wichtiger, Unternehmen zu selektieren, die gestiegene Kosten an ihre Kunden weitergeben können und ein robustes Umsatzwachstum verzeichnen. Die Konzentration auf „krisensichere“ Geschäftsmodelle mit Preissetzungsmacht ist nach unserer Auffassung derzeit entscheidend für den Anlageerfolg. Wir konzentrieren uns auf Qualitätsunternehmen mit einer hohen Kapitaleffizienz, klaren Wettbewerbsvorteilen und einer hohen Preissetzungsmacht. Die Krise hat bereits deutliche Spuren hinterlassen: Gemessen an Indikatoren wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis, dem Kurs-Buchwert-Verhältnis oder der Cash Flow-Rendite sind Aktien zumindest in Europa und in den Schwellenländern nicht mehr teuer bewertet. Als langfristige Investoren fragen wir uns, wann wir die Aktienquoten wieder erhöhen sollen. In sieben von acht Rezessionen in den USA seit 1965 war es richtig, die Aktienquoten erst kurz vor dem Ende der Rezession wieder zu erhöhen. Dort sind wir derzeit noch nicht.
Wir halten die Duration weiterhin kurz. Die 1970er Jahren zeigen, dass Angebotsschocks länger dauern können, da der Staat – anders als bei einem Nachfrageschock – den Wirtschaftsabschwung nicht durch eine expansive Fiskalpolitik oder Zinssenkungen stimulieren kann. Würde er es tun, dann würde die Inflation noch stärker steigen. Die hohe Inflation in den 1970er Jahren endete in den USA erst nach der 2. Ölkrise, als die Federal Reserve unter Paul Volcker die Leitzinsen Anfang der 1980er Jahre auf über 20% anhob und die Wirtschaft in eine Rezession stürzte. Derart hohe Zinssteigerungen sind heute undenkbar, da die Staaten deutlich höher verschuldet sind als Anfang der 1970er Jahre. Würde die EZB die Zinsen zu stark erhöhen, dann würde eine zweite Eurokrise drohen. Angesichts des begrenzten Spielraums der Notenbanken insbesondere in Europa könnte die Phase der hohen Inflation länger dauern als es der Markt derzeit erwartet.
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