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Konjunkturausblick 2023 – Das Schlimmste liegt hinter uns

Marktanalyse 18.01.2023

WIRTSCHAFTSAUSBLICK

Januar 2023

Bruno Cavalier – Chefökonom ODDO BHF

 

WESENTLICHE PUNKTE:

  • Die vier Schocks des Jahres 2022 (Geopolitik, Inflation, Zinssätze, China) verlieren langsam an Intensität. Wir haben das Schlimmste hinter uns. 
  • Die weltweite Disinflation zeigt sich bereits bei den Preisen für Güter, bei den Dienstleistungspreisen jedoch noch nicht.
  • Marktteilnehmer, die schon für diesen Sommer auf eine Zinssenkung durch die US-Notenbank hoffen, erwartet eine Enttäuschung.
  • Angesichts der anhaltend hohen Inflation wird die EZB 2023 eine aggressivere Geldpolitik fahren als die US-Notenbank. 


Ein gravierender geopolitischer Schock, Inflations-raten, wie man sie seit vierzig Jahren nicht erlebt hat, eine beispiellose Straffung der Geldpolitik und eine ins Stottern geratene chinesische Konjunktur-lokomotive – das ist das Vermächtnis des Jahres 2022. Es gab schon Jahre, die unter besseren Vorzeichen begannen. Diese vier negativen Einfluss-faktoren werden sich zwar nicht einfach in Luft auflösen, wir gehen jedoch davon aus, dass sie sich abschwächen werden und in einigen Fällen sogar umkehren könnten.

In einem solch schwierigen Umfeld können die Wachstumsprognosen nicht optimistisch ausfallen. Im vergangenen Jahr kam es nicht zu einem plötzlichen Einbruch in Industrie und Handel. Vielmehr war eine sukzessive Verschlechterung zu beobachten. Unseren Schätzungen zufolge ist auf globaler Ebene die Wachstumsrate des realen BIP von 4,8% im Jahresdurchschnitt Ende 2021 um etwa 3% auf 1,5% Ende 2022 gesunken. Unsere Prognose für 2023 liegt bei etwa 2%, ein typischer Übergangs-bereich, falls es erneut zu einem negativen Schock kommen sollte. Von einem Einsatz von Atomwaffen abgesehen, hat der Krieg in der Ukraine ins-besondere hinsichtlich der Energieversorgung nicht mehr das gleiche disruptive Potenzial wie letztes Jahr, stellt jedoch immer noch einen hohen Unsicher-heitsfaktor dar. Wir übernehmen gerne den Aus-druck „auf Messers Schneide“, mit dem die Weltbank die derzeitige Lage der Weltwirtschaft beschreibt.

In den Industrieländern lagen die Geschäftsklima-indikatoren, die 2022 auf einem historischen Höchststand begonnen hatten, zum Jahresende knapp unterhalb der Schwelle für den Eintritt in eine Rezession. Die Auftragsbücher der Industrie leeren sich seit einigen Monaten deutlich. Gleichzeitig verschärfen sich die Finanzierungsbedingungen. Die Privathaushalte sind jedoch nach der Pandemie überwiegend finanziell gut aufgestellt und stehen nicht unter zeitlichem Druck, Schulden abzubauen. In den USA haben Privathaushalte sogar mehr Kredite aufgenommen und auf ihre Ersparnisse zurückgegriffen, um den Inflationsschock auszu-gleichen. Und auch die meisten Unternehmen haben, anders als in Abwärtsphasen des Konjunkturzyklus üblich, ihre Belegschaften nicht reduziert. Aufgrund der Erfahrung, die sie 2021 gemacht haben, als sie Schwierigkeiten bei der Besetzung von Arbeits-stellen hatten, halten sie sich vorsorglich mit Entlassungen zurück. Die Anpassung erfolgt eher graduell, indem Arbeitszeiten verkürzt oder befristete Stellen abgebaut werden. Es ist schwer zu sagen, ob diese Zurückhaltung beim Stellenabbau von Dauer sein wird oder ob sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit nur auf später verschoben hat. Die Arbeitsmärkte bleiben in der Zwischenzeit jedoch angespannt, was den Aufwärtstrend bei Gehältern begünstigt.

China ist ein Sonderfall. Im vergangenen Jahr war dort aufgrund der Probleme im Immobiliensektor und der erschwerend hinzugekommenen strengen Corona-Regeln ein Konjunkturrückgang zu verzeichnen. Ohne jegliche Vorbereitung gab die Regierung dann kürzlich ihre bisherige Null-Covid-Politik auf und setzte darauf, dass die dadurch entstehenden Nachteile (Todesopfer, Produktions-unterbrechungen) schnell durch die positiven Effekte der wirtschaftlichen Erholung (Wiederanstieg von Nachfrage und Handel, Rückgang der Arbeitslosigkeit) ausgeglichen werden würden. Die Aufhebung der Mobilitätsbeschränkungen dürfte als kurzfristige „Frischekur“ wirken, aber kein dauerhafter Motor für eine erneute Beschleunigung der Konjunktur sein, da die schlechten Nachrichten aus dem Bausektor nicht abreißen. Die asiatischen Nachbarländer werden am ehesten davon profitieren. Die Auswirkungen auf das globale Wirtschaftswachstum scheinen unsicherer, zumal die Wiederöffnung Chinas auch weniger angenehme Nebeneffekte mit sich bringen könnte. Das Land hat ein so großes Gewicht bei der Nachfrage nach Metallen und Energieprodukten, dass eine Erholung des Konsums den Preisdruck wieder anfachen könnte. Man kann nicht in allen Bereichen gewinnen. 

Ungeachtet dieses Risikos entwickeln sich die Inflationsaussichten gut. Auf einigen Stufen der Preiskette, darunter Industrie-Inputs, Energie und Fertigwaren, hat die Disinflation schon eingesetzt. Die erste Welle des Inflationsschocks, die 2021 aus den durch die Pandemie verursachten Störungen resultierte, ist fast vollständig abgeebbt. Die zweite Welle, die 2022 auf den Dienstleistungssektor übergegriffen hat, nimmt zwar noch zu, hat aber in den letzten Monaten an Dynamik verloren. Diese Entwicklung ist zum Teil Folge des Lohndrucks. Trotz der Intensität des Schocks sind die mittelfristigen Inflationserwartungen nie übermäßig vom historischen Normwert abgewichen. Damit bleiben sie ein Ankerpunkt, auf den sich die Werte einpendeln dürften. Wir erwarten, dass die Inflationsraten in den USA und der Eurozone zum Jahresende unter 3% sinken werden. Das ist zwar noch nicht der angestrebte Zielwert, aber nicht weit davon entfernt. 

Beim Ausblick auf die Geldpolitik muss man diese verschiedenen Faktoren, die nicht alle in die gleiche Richtung weisen, gegeneinander abwägen. Die schwächeren Konjunkturerwartungen legen eine Drosselung des Tempos bei den Zinserhöhungen nahe. Der robuste Beschäftigungsmarkt deutet hingegen auf eine weitere Verschärfung hin. Die geldpolitische Straffung wird in den kommenden Monaten weitergehen, der größte Teil des Weges liegt jedoch bereits hinter uns. In den USA ist die Geldpolitik bereits restriktiv, das Ende der Straffung scheint langsam in Sichtweite zu kommen. Nichts in den Äußerungen der US-Notenbank deutet jedoch darauf hin, dass die Lockerung so schnell erfolgen wird, wie die Märkte es sich erhoffen. Dies birgt Potenzial für Enttäuschungen. In der Eurozone hat der Rückgang der Inflation später eingesetzt und der Straffungskurs wird voraussichtlich stärker und nachhaltiger ausfallen, was einen stärkeren Euro begünstigen könnte.

 

 

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